Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zwangsentnahme durch Nutzung landwirtschaftlicher Flächen als Haus- und Gemüsegarten; Schätzung des Werts landwirtschaftlicher Grundstücke anhand von Richtwerten; Berücksichtigung von vermutlich zu erwartenden Flächenabtretungen an die Gemeinde bei der Schätzung von entnommenen Bauerwartungsland
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein zum Betriebsvermögen eines Landwirts gehörendes Grundstück geht durch die bloße Änderung seiner Funktion --Nutzung als Haus- und Gemüsegarten-- ohne ausdrückliche Entnahmeerklärung nicht in das Privatvermögen über.
2. Für die sachgerechte Schätzung des Entnahmewerts von Grundstücken kommt den von einem örtlichen Gutachterausschuss ermittelten Richtwerten als Durchschnittswerten anhand von tatsächlich festgestellten Verkäufen eine entscheidende Bedeutung zu.
3. Der im Rahmen der Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes zu bestimmende Wert der in das Privatvermögen überführten, als Bauerwartungsland einzustufenden Grundstücke, bestimmt sich nach den zum Entnahmezeitpunkt gegebenen tatsächlichen Verhältnissen und wertbegründenden Faktoren. Ist aufgrund eines sehr frühen Stadiums der Bauleitplanung nicht vorhersehbar, ob und inwieweit in Zukunft mit Flächenabtretungen zu rechnen ist, wird diesem Umstand durch die Zugrundelegung des niedrigsten Werts des Schätzungsrahmens für Bauerwartungsland (15 v.H. des Werts von vollwertigem Bauland) ausreichend Rechnung getragen.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4; AO 1977 § 162; EStG § 4 Abs. 1 S. 2; WertV § 4 Abs. 2
Gründe
I.
Die 1928 geborene Klägerin ist seit 1985 verwitwet. Sie betrieb eine Land- und Forstwirtschaft. Mit notariellem Vertrag vom 5. April 1990 (rotes Geheft in der FG-Akte, Bl. 38 ff.) übertrug sie das Grundstück FlNr. 74/4 der Gemarkung … -R- (= Grundstück A) auf ihren Stiefsohn (Abfindung als weichender Erbe). Mit notariellem Vertrag vom 22. Mai 1990 (Bl. 15 ff. a.a.O.) übergab sie ihren landwirtschaftlichen Betrieb mit dem zugehörigen Grundvermögen ihrer Stieftochter zum 1. Januar 1990, behielt sich aber lt. Tz. 2.4 (S. 4) die Hoffläche zu 725 qm (Grundstück D) sowie die Grundstücke FlNr. 74/5 (B) und 74/6 (C) zurück. Die Grundstücke A – C wiesen folgende nunmehr unstreitigen Flächengrößen auf:
A |
3.185 |
qm |
B |
12.736 |
qm |
C |
1.383 |
qm. |
139 qm, die zur Fläche C gehören, wurden mit Vertrag vom 2. April 1979 (Bl. 4 ff. a.a.O.) für 30 DM/qm zugekauft, es handelte sich um Straßengrund. Lt. Angabe der Klägerin im Schriftsatz vom 13. Januar 1996 (S. 9) diente das Grundstück C im übrigen stets als Hausgarten und soll seit 1978 an die Stieftochter verpachtet gewesen sein: Schriftliche Unterlagen über diesen Vorgang konnten nicht vorgelegt werden, da die Absprachen nur mündlich erfolgt seien. Ferner wurde vorgetragen, das Grundstück sei bereits seit den 60er-Jahren Bauland gewesen und habe daher nicht mehr zum Betriebsvermögen gehört. Seit 1983 war der gesamte landwirtschaftliche Betrieb an den Ehemann der Stieftochter verpachtet (Pachteinnahmen im Wirtschaftsjahr 1989/90: 7.400 DM).
In ihrer Anlage zur Einkommensteuer (ESt)-Erklärung 1989 (Bl. 10–13 ESt-Akte 1989) stellte sie den Sachverhalt ausführlich dar und setzte für die Grundstücke A und B einen qm-Wert von 25 DM an. Sie ermittelte den Entnahmegewinn mit 328.335 DM. Für den „Bauplatz” C erklärte sie keinen Entnahmegewinn, da sie ihn zum Privatvermögen rechnete (wie das Grundstück D mit dem Wohnhaus). Noch im Schreiben an den Beklagten (das Finanzamt -FA-) vom 20. November 1990 hielt sie an einem qm-Wert von 25 DM für die Grundstücke A und B fest (Bl. 14 ff., 16 ESt-Akte 1989).
Das FA setzte in verschiedenen Steuerbescheiden die ESt in unterschiedlicher Höhe fest, da die jeweiligen Entnahmewerte für die Grundstücke A – C stark differierten.
So kam beispielsweise der eingeschaltete Amtliche Landwirtschaftliche Sachverständige (ALS) zu einem Entnahmewert von 200 DM/qm für das Grundstück C (dabei ging das FA davon aus, daß dieses Grundstück im Entnahme Zeitpunkt – Mai 1990 – noch zum Betriebsvermögen -BV- gehört hatte). Nach den Feststellungen des Gutachterausschusses betrug der qm-Wert für Grundstücke zum 31. Dezember 1988 120 DM – 180 DM (s. Bl. 55 f. FG-Akte), zum 31. Dezember 1990 betrug der Richtwert 150 – 250 DM/qm. Für 1989 wurden keine Richtwerte festgestellt.
Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin mit Schreiben vom 7. September 1994 (Bl. 26–32 ESt-Akte; Anlage: Schreiben der Gemeinde R vom 12. September 1994) ihre Auffassung dar, daß stichtagsbezogen ein qm-Preis von 100 – 120 DM für Bauland angemessen sei.
Sie stützt ihre Ansicht mit folgenden Verkäufen (nähere Angaben im Schriftsatz vom. 13. Januar 1996, S. IC f. = Bl. 27 f. FG-Akte):
|
DM |
August 1989 |
100 |
November 1989 |
100 |
Januar 1990 |
120 |
Oktober 1990 |
160. |
Das FA ermittelte einen Verkauf (Februar 1990), bei dem 235 DM/qm bezahlt wurden, und zwar, wie es angab, für ein vergleichbares Grundstück.
Weiterhin führte die Klägerin aus, daß der von ihr vorgeschlagene Entnahmewert für die Grundstücke A u...