Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbringen von Waren im Reiseverkehr. Voraussetzungen für Zollfreiheit als Diplomatengut
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Mehrfachbesteuerung liegt nicht vor, wenn dem wirksamen Einfuhrabgabenbescheid bereits eine automatisiert erlassene Mahnung wegen rückständiger Einfuhrabgaben und das Leistungsgebot wegen Säumniszuschlägen vorangegangen ist, nach dem das FA einen nicht bekanntgegebenen und damit unwirksamen, in den Akten befindlichen Einfuhrabgabenbescheid jüngeren Datums zum Soll gestellt hatte. Die Mahnung ersetzt nicht die mangels Regelung in Art. 221 ZK nach nationalem Recht und damit gem. § 157 AO zu erfolgende Festsetzung durch Steuerbescheid.
2. Reisen EU-Bürger aus dem Drittland kommend über ein Zollamt nach Deutschland ein, wobei sie den grünen Ausgang „anmeldefreie Waren” benutzen, obwohl der Wert der im gemeinsamen Reisegepäck befindlichen Neuwaren die Reisefreimengen übersteigt, schulden sie als Gesamtschuldner die durch das vorschriftswidrige Verbringen der Waren nach Deutschland und damit in das Zollgebiet der Gemeinschaft gem. Art. 202 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 ZK i. V. m. § 13 Abs. 2, § 21 UStG entstandenen Einfuhrabgaben.
3. Ein zollfreie Einfuhr der Waren als Diplomaten- oder Konsulargut gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e Zollverwaltungsgesetz i. V. m. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Zollverordnung erfordert den Nachweis der Zugehörigkeit zu einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung in der BRD.
Normenkette
ZK Art. 202 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2-3, Art. 221, 29; Zollverwaltungsgesetzes § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e; Zollverordnung § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 122 Abs. 1, § 157 Abs. 1 S. 2; UStG § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2; ZKDV Art. 233 Abs. 1 Buchst. a; ZKDV Art. 234 Abs. 2, Art. 563, 236 Buchst. a; Zollbefreiungsverordnung Art. 45
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Kläger Schuldner von Einfuhrabgaben geworden sind.
Am 1. Juni 2009 reisten die Kläger aus A kommend über das Hauptzollamt (HZA) – Zollamt nach C, wobei sie den grünen Ausgang „anmeldefreie Waren” benutzten. Dabei führten sie in ihrem gemeinsamen Reisegepäck verschiedene Neuwaren (Schmuck, Bekleidung, Taschen, Sonnenbrillen) mit sich. Die Waren befanden sich in verschiedenen Gepäckstücken, die jeweils Bekleidung von beiden Klägern enthielten. Die Rechnungen für die Neuwaren befanden sich in der Handtasche der Klägerin zu 2. Die Kläger wiesen sich jeweils mit einem D Diplomaten-Pass aus.
Nach telefonischer Auskunft des B lag unter dem Nachnamen der Kläger keine Akkreditierung in C vor (vgl. Aktenvermerk vom …).
Das HZA gewährte den Klägern jeweils eine Reisefreimenge und setzte für die übrigen Waren Zoll und Einfuhrumsatzsteuer fest. Im Einzelnen entwarf das HZA unter dem 2. Juni 2009 einen Einfuhrabgabenbescheid über Einfuhrabgaben i. H. v. insgesamt 8.914,36 EUR (2.418,69 EUR Zoll und 6.495,67 EUR Einfuhrumsatzsteuer), den es nicht an die Kläger versandte, weil über das EDV-System, das der Abfertigungsstelle zur Verfügung stand, kein Einfuhrabgabenbescheid erstellt werden konnte, der das Gesamtschuldverhältnis auswies. Da der Bescheid vom 2. Juni 2009 aufgrund seiner Erstellung über … bei der Zahlstelle in … zum Soll gestellt wurde, wurde automatisiert über … nach Ablauf der Zahlungsfrist eine Mahnung und ein Leistungsgebot über Säumniszuschläge erstellt, die den Klägern zugesandt worden ist, woraufhin die Kläger die Abgaben bezahlten. Daraufhin erstellte das HZA intern einen Erstattungsbescheid und löschte die Sollstellung wieder (vgl. Aktenvermerk vom …).
Anschließend setzte das HZA mit zwei Einfuhrabgabenbescheiden vom 8. Juli 2009 die Einfuhrabgaben in der genannten Höhe gegen die Kläger als Gesamtschuldner erneut fest und versandte den Bescheid an die Kläger. Bei der Besteuerung fasste das HZA die Waren mit denselben Zollsätzen in Warengruppen zusammen (vgl. Stellungnahme der Abfertigungsbeamtin vom …).
Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 7. August 2009 Einspruch ein, den das HZA mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 9. April 2010 jeweils als unbegründet ablehnte.
Die Kläger erhoben gegen diese Einspruchsentscheidungen Klage, wobei das HZA während des Klageverfahrens gegenüber den Klägern jeweils mit Einfuhrabgabenbescheid vom 26. Oktober 2010 Einfuhrabgaben i. H. v. insgesamt 267,33 EUR (224,65 EUR Zoll und 42,68 EUR Einfuhrumsatzsteuer) erließ.
Ihre Klagen begründen die Kläger im Wesentlichen folgendermaßen: Die angefochtenen Bescheide seien inhaltlich unbestimmt, da sie das Verhältnis zum Vorgängerbescheid vom 2. Juni 2009 nicht erkennen ließen. Es liege daher eine Mehrfachbesteuerung desselben Sachverhalts vor. Die angefochtenen Bescheide seien daher im Erklärungsgehalt mehrdeutig und folglich unbestimmt und damit nichtig. Der Einwand des HZA, der Zollbescheid vom 2. Juni 2009 sei den Klägern nicht bekannt gegeben worden, greife nicht durch. Denn die zollrechtlichen Vorschriften würden die nationale Regel-Bekanntgabevor...