Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf Steuererklärungen von Ausländern ohne ausreichende Deutschkenntnisse. Einkommensteuer 1991
Leitsatz (amtlich)
1. Bei in ihr Heimatland zurückgekehrten, der deutschen Sprache unkundigen ausländischen Arbeitnehmern ist die Unterzeichnung des Antrages auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG – entgegen dem Eigenhändigkeitserfordernis gem. § 25 Abs. 3 Satz 4 EStG – durch einen Bevollmächtigen gem. § 150 Abs. 3 AO zulässig.
2. Das Vorliegen einer „längeren Abwesenheit” i.S.d. § 150 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. EStG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Einkommensteuererklärung auf dem Postwege an den Steuerpflichtigen zur Unterschrift hätte geschickt werden können.
3. Die fehlenden deutschen Sprachkenntisse begründen einen „geistigen Zustand” i.S.d. § 150 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. EStG, der den Ausländer daran hindert, die Unterschrift unter Beachtung der Erklärungsreichweite von § 150 Abs. 2 AO zu erbringen.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8, § 25 Abs. 3 S. 4; AO § 150 Abs. 3, 2
Tenor
1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 17.1.95 und der Einspruchsentscheidung vom 6.8.96 wird das beklagte Finanzamt verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes über den Antrag des Klägers auf Einkommensteuerveranlagung für 1991 zu entscheiden.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand
Es ist streitig, ob ein Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung wirksam gestellt wurde.
Der Kläger ist rumänischer Staatsangehöriger und war im Streitjahr vom 2.4.1991 bis 31.12.1991 als Bauarbeiter in Deutschland beschäftigt. Am 30. Juli 1993 ging beim beklagten Finanzamt erstmals eine Einkommensteuererklärung für 1991 zusammen mit der Lohnsteuerkarte des Klägers ein. Die Unterschriften auf der Erklärung sowie der Anlage KSO sind unleserlich. Es handelt sich um die Unterschrift des Klägervertreters, der auch an der Anfertigung der Steuererklärung mitgewirkt hat. Im Laufe des Veranlagungsverfahrens wurden verschiedene Bescheinigungen vom Klägervertreter nachgereicht. Am 16. November 1993 ging eine berichtigte Einkommensteuererklärung für den Kläger beim Finanzamt ein, die wieder vom Klägervertreter unterzeichnet war. Es war eine Vollmacht des Klägers beigefügt, die den Klägervertreter u. a. zur Unterschriftsleistung unter die Steuererklärung für 1993 bevollmächtigt. Die Unterschrift unter dieser Vollmacht beginnt mit einem Buchstaben, der wie ein „X” aussieht, es folgt ein kleines „y” und ein waagrechter Strich.
Mit Schreiben vom 23.11.1994 wies das Finanzamt den Klägervertreter darauf hin, daß es beabsichtige, den Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer 1991 abzulehnen, da die eigenhändige Unterschrift des Klägers nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG geleistet worden sei. Im übrigen wird der Klägervertreter auf Ausführungen in einem Schreiben vom 18.11.1994 hingewiesen, das sich jedoch nicht bei den Akten befindet, die das Finanzamt dem Gericht vorgelegt hat.
Mit Bescheid vom 17.1.1995 lehnte das Finanzamt die Einkommensteuerveranlagung für 1991 ab. Hiergegen erhob der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 2.2.1995 Einspruch, dem eine berichtigte Einkommensteuererklärung für 1991 beigefügt war. Diese trägt eine Unterschrift, die als Vorname und Name des Klägers identifizierbar ist. Diese Unterschrift hat keine Ähnlichkeit mit dem Schriftzug auf der vorgelegten Vollmacht.
Mit Schreiben vom 7.2.1996 wies das Finanzamt den Klägervertreter darauf hin, daß dem Antrag auf Einkommensteuerveranlagung zwar eine Vollmacht für die Unterschriftsleistung auf der Steuererklärung, den Empfang des Erstattungsanspruchs und für die Einlegung des Einspruchs beigelegen habe, daß sich aber nicht nachvollziehen ließe, wer die Vollmacht unterzeichnet habe. Das Finanzamt forderte den Klägervertreter daher auf, bis 26.2.1996 eine amtlich beglaubigte Vollmacht des Steuerpflichtigen, die auch zum Einlegen des Einspruchs bevollmächtigt, vorzulegen. Mit Einspruchsentscheidung vom 6.8.1996 verwarf das Finanzamt den Einspruch als unzulässig, da der Klägervertreter nicht nachgewiesen habe, daß er zur Einspruchseinlegung befugt gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Im Klageverfahren wurde am 24.9.1996 eine Vollmacht vorgelegt, die zur Erstellung der Einkommensteuer-Erklärung 1991, weiterhin zur Einlegung, Rücknahme und zum Verzicht von Rechtsbehelfen und zur Entgegennahme von Postzustellungen ermächtigt und mit den Namen des Klägers unterschrieben ist. Am 28.4.97 ging beim Gericht eine notariell erstellte und amtlich übersetzte Vollmacht des Klägers ein, wonach der Klägervertreter bevollmächtigt wird, die Steuer für die Zeitspanne, die der Kläger in Deutschland gearbeitet hat, wiederzuerlangen. Die Unterschrift auf dieser Vollmacht ist unleserlich.
Zur Begründung der Klage wird vorgetragen, daß die Bevollmächtigung ordnungsgemäß erfolgt sei.
Der Klägervertreter habe beabsichtigt, sich für jedes Jahr, für ...