Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der ehrenamtlich tätigen Vorstände eines inzwischen zahlungsunfähigen Vereins bei unterlasssenenem Steuerabzugsverfahren. umsatzsteuerliches Abzugsverfahren gemeinschaftsrechtkonform
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die Vorstände eines Fanclubs (eingetragener Verein) anlässlich einer Großveranstaltung zum Vereinsjubiläum eine unstreitig im Ausland ansässige, in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtige Musikgruppe engagiert, dabei die Übernahme sämtlicher gesetzlicher Abgaben durch den Fanclub vereinbart, aber trotz der Größenordnung der Veranstaltung und der vereinbarten Gage (hier: 40000 DM) keine qualifizierte steuerliche Hilfe in Anspruch genommen und daher das erforderliche Steuerabzugsverfahren nach § 50a EStG sowie § 18 Abs. 8 UStG i.V.m. §§ 51 ff. UStDV nicht durchgeführt, so haften sie nach § 50a Abs. 5 S. 5 EStG, § 73g Abs. 1 EStDV bzw. § 55 UStDV für die nicht einbehaltenen und nicht abgeführten Steuerabzugsbeträge. Dass die Vorstände nicht hauptberuflich, sondern nur ehrenamtlich für den Verein tätig waren, ist insoweit unerheblich.
2. Für die auf die nicht abgeführten Abzugsbeträge entfallenden Säumniszuschläge haften die Vereinsvorstände nach § 69 S. 1, 2 AO 1977.
3. Das Abzugsverfahren nach §§ 51 bis 53 UStDV steht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang und verstößt insbesondere nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot oder gegen die allgemeinen Grundfreiheiten.
Normenkette
EStG § 50a Abs. 4, § 5 S. 5, § 49 Abs. 1 Nr. 3; EStDV § 73g Abs. 1; AO 1977 § 34 Abs. 1 Sätze 1-2, § 69 Sätze 1-2; UStG § 18 Abs. 8; UStDV §§ 51-53, 55; EGV Art. 12, 39
Nachgehend
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind 1. und 2. Vorstand des B Fan Club e.V. (nachfolgend Fanclub).
Der Verein engagierte anlässlich seines 20-jährigen Bestehens für einen Auftritt am 7. August 1998 die Kapelle aus Italien zu einer Gage von 40.000 DM. Nach dem Engagementvertrag waren alle gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben vom Veranstalter zu tragen.
Im Mai 2000 erhielten die Kläger ein Schreiben eines Steuerbüros, aus dem hervorging, dass sie beiliegende Steuerbescheinigungen ausfüllen und an das Büro zurückschicken sollten. Bei den Bescheinigungen handelte es sich um eine Steuerbescheinigung des Schuldners der Vergütung nach § 50a Abs. 5 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes – EStG – und eine Bescheinung zum Abzugsverfahren gem. § 52 Absatz 4 bzw. § 53 Abs. 7 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV –.
Am 24. Mai 2000 reichte der Fanclub die Anmeldung über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige und die Anmeldung der Umsatzsteuer im Abzugsverfahren beim Finanzamt (FA) ein. Am 18. Januar 2002 reichte der Fanclub eine geänderte Anmeldung über den Steuerabzug und am 18. Februar 2002 eine geänderte Anmeldung der Umsatzsteuer im Abzugsverfahren nach. Bei dem zugrunde gelegten Bruttohonorar von 59.626,62 DM ergaben sich danach folgende Steueranmeldungen:
Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG |
14.906,–DM |
= |
7.621,32 EUR |
Solidaritätszuschlag zum Steuerabzug |
819,94 DM |
= |
419,23 EUR |
Umsatzsteuerabzug |
3.900,68 DM |
= |
1.994,39 EUR |
Die Vollstreckung in das Vermögen des Fanclubs blieb zum überwiegenden Teil erfolglos. Aufgrund des Vollstreckungsersuchens zahlte der Verein am 4. Dezember 2000 sein gesamtes Barvermögen in Höhe von 2.264,20 DM (= 1.157,67 EUR) an das FA Dingolfing. Nach Abzug von 200,– DM Vollstreckungskosten verbuchte das FA anschließend 2064,20 DM (= 1.055,41 EUR) auf die Umsatzsteuerrückstände des Fanclubs.
Mit Haftungsbescheiden jeweils vom 1. Oktober 2002 nahm das FA die Kläger für Steuerrückstände von 8.979,53 EUR zuzüglich Säumniszuschläge von 2.046,54 EUR in Anspruch. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidungen vom 12. Februar 2003).
Mit ihren Klagen machen die Kläger im Wesentlichen Folgendes geltend: Es fehle ihnen insbesondere das für eine Haftung notwendige Verschulden. Der Verein habe keinerlei Erfahrungen mit solchen Veranstaltungen gehabt. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, dass man sich mit einem ortsansässigen Gastwirt zusammen getan habe, der die schwierigeren Aufgaben bei der Organisation des 3tägigen Fests übertragen bekommen habe.
Sie hätten eine relativ einfache Ausbildung oder eine Ausbildung mit vorwiegend praktischem Hintergrund, deswegen seien sie in steuerlichen Dingen unerfahren. Sie seien davon ausgegangen, dass sich die Musiker um ihre steuerlichen Angelegenheiten selbst kümmern würden, zumal im Vertrag keine Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei.
Die Kläger beantragen, die Haftungsbescheide vom 1. Oktober 2002 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben.
Das FA beantragt, die Klagen abzuweisen.
Das FA verweist in seiner Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung. Es weist ergänzend darauf hin, dass der im Vertrag verwendete Begriff ...