Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastung. Fluchtkosten. Einbürgerungskosten. Passkosten. Rechtsanwaltskosten. überholende Kausalität
Leitsatz (redaktionell)
Kosten eines Deserteurs für die Beschaffung eines Passes sind keine außergewöhnlichen Belastungen. Die Androhung der Abschiebung ist kein Fall überholender Kausalität sondern Folge der freiwilligen Flucht.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2, § 12; AuslG § 53 Abs. 6
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Passgebühren und Kosten der Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Vermeidung der Abschiebung und zur Erlangung eines Reisepasses als außergewöhnliche Belastung.
Der Kläger war Offizier der ehemaligen Westgruppe der Sowjetarmee. 1992 desertierte er und beantragte politisches Asyl. Bis 1999 wurde der Aufenthalt geduldet. Im Streitjahr musste die Staatsangehörigkeit durch Vorlage eines Passes nachgewiesen werden, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Ohne Vorlage des Passes drohte die Abschiebung. Der Kläger wagte es nicht, das russische Generalkonsulat persönlich aufzusuchen, um den Pass abzuholen. Als Passgebühr entrichtete er an das Generalkonsulat DM 2.250, der Rechtsanwalt erhielt DM 2.200. Die Kläger bezogenen im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.
Mit der Steuererklärung für 1999 machten die Kläger insgesamt DM 5.750 in diesem Zusammenhang entstandene Kosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen nicht und setzte mit Bescheid vom 23.10.00 die Einkommensteuer auf DM 2.778 fest. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt mit Entscheidung vom 29.10.01 als unbegründet zurück.
Zu Begründung der hiergegen gerichteten Klage wird unter Vorlage umfangreicher Kopien von Schriftverkehr mit dem Finanzamt, dem Landratsamt, Rechtsanwälten, der Bayerischen Staatskanzlei, dem russischen Generalkonsulat, dem Bayerischen Staatsministerium des Inneren und dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sowie unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte vorgetragen, dass sich die Kläger den Aufwendungen nicht hätten entziehen können.
Ohne die Durchführung des Verfahrens wären sie in die Sowjetunion abgeschoben worden. Dort hätte ihnen Gefahr für Leib und Psyche gedroht. Auf Grund seiner Fahnenflucht habe der Kläger nicht persönlich in das russische Generalkonsulat gehen können, er sei von westlichen Geheimdiensten verhört worden und müsse mit erheblicher Strafe rechnen. Im Generalkonsulat gelte das Recht Russlands. Er würde sich dort unmittelbar der Strafverfolgung aussetzen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom 29.10.01 und des Einkommensteuerbescheides vom 23.10.2000 die Einkommensteuer für 1999 in der Höhe festzusetzen, die sich ergibt, wenn außergewöhnliche Belastungen in Höhe von DM 5.750 berücksichtigt werden.
Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.
Aufwendungen für die Erlangung eines Reisepasses seien Aufwendungen für die allgemeine Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG. Eine unterschiedliche Behandlungsweise zwischen inländischen und ausländischen asylberechtigten Staatsbürgern sei nicht gerechtfertigt. Die Rechtsanwaltskosten für die Erlangung der Reisepässe seien den Klägern auch nicht zwangsläufig erwachsen. Die Entscheidung, nicht nach Russland zurückzukehren, sei nicht zwangsläufig gewesen, sondern habe im Bereich der privaten Motivation gelegen. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Kläger seinen rechtlich begründeten Standpunkt ohne Inanspruchnahme von Rechtsanwälten nicht hätte durchsetzen können.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 10.1.2002 und 12.8.2003 jeweils mit Anlagen, die Stellungnahmen des Finanzamts vom 7.3.2002 und 10.7.2003 sowie die vom Finanzamt vorgelegten Akten Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 FGO).
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastungen). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Gründe der Zwangsläufigkeit von außen derart auf die Entschließungsfreiheit des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag. Entscheidend ist daher, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zur Bestreitung der Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Dabei ist nicht dar...