Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine abweichende Umsatzsteuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen wegen Erhöhung des Steuersatzes nach Bezug von Vorauszahlungen. Umsatzsteuer 1993. abweichender Festsetzung der Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (amtlich)
Leistungen, die nach dem 1.1.1993 ausgeführt worden sind, unterliegen auch dann dem ab 1.1.1993 geltenden Steuersatz von 15 vH, wenn der Unternehmer die Vorauszahlungen für die vereinbarten Leistungen bereits vor dem 1.1.1993 unter Zugrundelegung des zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Steuersatzes von 14 vH vereinnamt hat. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn der Unternehmer die Abwälzung der Umsatzsteuererhöhung auf die Leistungsempfänger aus technischen oder ökonomischen Gründen nicht vornehmen konnte.
Normenkette
AO § 163; UStG § 27 Abs. 1, § 29
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Gründe
I.
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, betreibt einen Verlag und stellt … Nachschlagewerke und Adressbücher her, die in der Regel jährlich neu erscheinen.
Nach Angaben der Klägerin ist es üblich, dass die Kunden, die in ein Nachschlagewerk aufgenommen werden wollen, bereits nach der Bestellung eine entsprechende Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer erhalten und bezahlen, unabhängig davon, wann das Nachschlagewerk fertiggestellt und ausgeliefert werde.
Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 1989 bis 1993 (vgl. Bericht über die Betriebsprüfung vom 22. Dezember 1995) wurde festgestellt, dass die Klägerin in 1992 für Leistungen, die in 1993 erbracht worden seien, Anzahlungen in Höhe von 4.813.800 DM zuzüglich 14 v.H. Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt habe. Diese Anzahlungen seien in der Bemessungsgrundlage der für 1992 erklärten steuerpflichtigen Umsätze mit einem Steuersatz von 14 v.H. enthalten. In der Umsatzsteuererklärung 1993 sei die Bemessungsgrundlage der für 1993 erklärten steuerpflichtigen Umsätze um die genannten Anzahlungen aus 1992 gekürzt worden. Nach Auffassung des Prüfers unterliegen Jedoch die den Vorauszahlungen in Höhe von 4.813.800 DM zugrundeliegenden Umsätze dem für 1993 geltenden Steuersatz von 15 v. H., da die Leistungen erst in 1993 erbracht worden seien.
Bezug nehmend auf die Ergebnisse der Außenprüfung setzte der Beklagte (das Finanzamt) die Umsatzsteuer 1993 schließlich mit Steueränderungsbescheid vom 27. August 1996 auf 1.647.541 DM fest. Dabei erhöhte er die Umsatzsteuer 1993 um eine sog. Nachsteuer auf versteuerte Anzahlungen wegen Steuersatzänderung in Höhe von 41.859 DM (zur Berechnung vgl. Schreiben des Finanzamts an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 27. Juni 1996).
Den Einspruch gegen die Umsatzsteuer 1993 wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 1997 als unbegründet zurück.
Während des Einspruchsverfahrens beantragte die Klägerin, von einer Nachbesteuerung in 1993 aus Billigkeitsgründen abzusehen. Die Klägerin begründete dies damit, dass es ihr faktisch unmöglich gewesen sei, die Erhöhung der Mehrwertsteuer von ihren Kunden nachzufordern. Dies sei zum einen bedingt durch die hohe Anzahl von einzelnen kleinen Rechnungen und zum anderen auch technisch bedingt durch die Tatsache, dass die Umstellung der EDV sehr aufwendig gewesen sei und komplizierte Programmänderungen nötig gemacht habe. Zudem seien erst mit dem BMF-Schreiben vom 7. Dezember 1992, BStBl I 1992, 764, die Regeln bekannt gemacht worden, welche nach Auffassung der Finanzverwaltung auf Anzahlungen anzuwenden seien und welche Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung auf die Anzahlungen zu beachten seien. Daher sei den Steuerbürgern keine Zeit verblieben, sich rechtzeitig auf die Änderung einzustellen. Trotzdem habe die Klägerin von sich aus nach Bekanntwerden der Mehrwertsteuererhöhung die notwendigen Softwareumstellungen veranlasst, die jedoch aufgrund der damit verbundenen problematischen Umstellungsarbeiten erst Anfang November abgeschlossen hätten werden können. Es dürfe aber nicht sein, dass Anweisungen der Finanzverwaltungen erst im Dezember verlautbart würden und dann rückwirkend auf Vorgänge ab Bekanntwerden des Steuergesetzes angewendet würden. Dies spreche gegen das Rückwirkungsverbot und gegen den Grundsatz des voraussehbaren Verwaltungshandelns. Außerdem stelle die Steuernachforderung des Finanzamts mangels der Nachberechnungsmöglichkeit bei den Kunden eine Bereicherung des Fiskus zu Lasten der Klägerin dar, die bei einem normalen Ablauf nicht gegeben wäre. Eine derartige ungerechtfertigte Bereicherung entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers und sei auch rechtspolitisch wegen des durchlaufenden Charakters der Mehrwertsteuer nicht vertretbar. Bei Bewertung der Billigkeitsgründe sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin von sich aus alles dazu getan habe, die Mehrwertsteuererhöhung rechtzeitig und zutreffend zu verarbeiten, die Finanzverwaltung Jedoch mit ihren sehr späten Verlautbarungen se...