Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung des FA an die Feststellung der Antriebsart eines schadstoffarmen PKW durch die Zulassungsstelle. Änderung eines Kfz-Steuerbescheides nach unrichtiger Eingabe der Antriebsart. Kraftfahrzeugsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Kraftfahrzeugsteuervergünstigungen für (bedingt) schadstoffarme PKW setzen entsprechende Feststellungen der Zulassungsbehörden voraus (Grundlagenbescheid).
2. Zu der Feststellung der Zulassungsstelle als „schadstoffarm” oder „bedingt schadstoffarm” gehört auch die Feststellung der Antriebsart, da, je nachdem ob ein Ottomotor (Fremdzündungsmotor) oder ein Dieselmotor (= Selbstzündungsmotor) vorliegt, die Voraussetzungen für die Anerkennung anders sind.
3. Hat das FA einen Grundlagenbescheid der Zulassungsstelle hinsichtlich der Antriebsart zunächst unrichtig ausgewertet (hier: durch Eingabefehler), ist es zu einer Änderung des Kfz-Steuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO verpflichtet.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10; KraftStG § 2 Abs. 2 S. 1, §§ 3b, 3e
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) rückwirkend eine Steuerbefreiung gemäß § 3 b Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) aufheben durfte, wenn es feststellt, daß der Pkw statt als „Ottomotor Schadstoffarm” als „Dieselmotor Schadstoffarm” eingestuft war.
I.
Der Kläger (Kl) ist Halter eines Pkw VW mit dem amtlichen Kennzeichen XYZ, Dieselmotor (Hubraum 1.570 ccm), der erstmals am 27. April 1989 zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen wurde. Diese Angaben waren auf der Kraftfahrzeugsteuererklärung richtig eingetragen und von der Zulassungsstelle bestätigt worden, wonach das Fahrzeug Schadstoffarm ist (E XXV) mit der Antriebsart Dieselmotor. Bei der Eingabe dieser Daten durch das FA wurde 1m Eingabebogen bei der Endziffer für die Antriebsart versehentlich anstelle der für Dieselmotoren geltenden Kennziffer „2” die für Ottomotoren geltende Zahl „1” eingegeben, so daß das FA mit Freistellungsbescheid vom 23. März 1989 eine Steuerbefreiung für drei Jahre und zwei Monate gemäß § 3 b KraftStG aussprach.
Nach Bekanntwerden des Eingabefehlers erließ das FA am 16. Oktober 1991 einen Steuerbescheid, mit dem es gemäß § 129 Abgabenordnung (AO) für die Zeit ab dem 27. April 1989 bis 26. April 1991 die Kraftfahrzeugsteuer auf jährlich 345 DM(21,60 DM po 100 ccm) festsetzte. Gleichzeitig setzte es gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG für die Zeit vom 27. April 1991 bis zum 30. Juni 1991 die Steuer mit 61 DM fest (Steuersatz 21,60 DM pro 100 ccm), für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 26. April 1992 auf 389 DM (wegen der Erhöhung des Steuersatzesfür Dieselfahrzeuge durch das Steueränderungsgesetz 19919), ab dem 1. Juli 1991 auf 29,60 DM pro angefangene 100 ccm, und die Jahressteuer ab dem 27. April 1992 auf 473 DM. Während des Einspruchsverfahrens meldete der Kl sein Fahrzeug am 16. Juli 1992 ab. Das FA erließ einen sog. Endbescheid am 5. August 1992 gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG, in dem es die Steuer für die Zeit vom 27. April 1992 bis 15. Juli 1992 auf 103 DM festsetzte (Bl. 8/St). Der Einspruch blieb erfolglos (s. Einspruchsentscheidung -EE- vorn 27. Juli 1993).
Mit der Klage trägt der Kl vor, daß er im Vertrauen auf die Richtigkeit des Freistellungsbescheids das Fahrzeug genutzt und seinen finanziellen Rahmen danach ausgerichtet habe, zumal er alle Daten richtig erklärt habe. Hätte er bereits damals keine Steuerbefreiung erhalten, hätte er ein steuerbegünstigtes Fahrzeug erworben. Angesichts der langen Dauer bis der Bescheid aufgehoben worden sei, müsse sein Vertrauen auf die Richtigkeit des Bescheids gestützt werden.
Der Kl beantragt,
den Steuerbescheid vorn 16. Oktober 1992 in Gestalt der EE vom 27. Juli 1993 für die Zeit vom 27. April 1989 bis 26. April 1992 aufzuheben.
Das FA beantragt Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Das FA war zur Änderung des fehlerhaften Freistellungsbescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigt und verpflichtet, da ihm bei der Auswertung der Feststellung der Zulassungsstelle über die Anerkennung des Pkw als Schadstoffarm ein Fehler unterlaufen war (s. auch Urteil des erkennenden Senats vom 9. November 1992 4 K 4591/89, UVR 1993, 91). Da es sich bei der Feststellung der Zulassungsstelle vom 27. April 1989 um einen sog. Grundlagenbescheid gemäß § 171 Abs. 10 AO handelt (s. Beschluß des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 26. August 1986 VII B 107/86, BStBl II 1986, 865), der für das FA bindend ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG, war das FA zu einer Änderung des Bescheids gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO sogar verpflichtet (s. BFH-Urteil vom 14. April 1988 IV R 219/85, BStBl II 1988, 711). Zu der Feststellung der Zulassungsstelle als „Schadstoffarm” oder „bedingt Schadstoffarm” gehört auch die Feststellung der Antriebsart, da, je nachdem ob ein Ottomotor (= Fremdzündungsmotor) oder ein Dieselmotor (= Selbstzündungsmotor) vorliegt, die Voraussetzungen für die Anerkennung ...