Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsinteresse im Zusammenhang mit Durchsuchungsmaßnahmen. Zwangsvollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Antrags an das Amtsgericht auf Erteilung eines Durchsuchungsbeschlusses und der anschließenden Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen (Fortsetzungsfeststellungsklage) ist unzulässig, wenn der Vollstreckungsschuldner in erster Linie mit der Höhe der zu vollstreckenden Steuern nicht einverstanden ist und deshalb einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO beantragen könnte.

 

Normenkette

FGO § 100 Abs. 1 S. 4; AO §§ 287, 251, 218 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

 

Gründe

I.

Die Kläger (Kl) sind verheiratet. Anfang 1994 wurde die Anwaltszulassung des Kl entzogen. Seine Anwaltskanzlei hatte er in … (Hauptniederlassung) und in … (ab 1991) betrieben. Seitdem arbeitet er als kaufmännischer Angestellter. In den Jahren 1994 und 1997 gab er jeweils eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögenslage ab. Die Klägerin (Klin) erzielte bis 1994 keine Einkünfte. Danach (ab 1994) bezog sie Einkünfte aus gewerblicher und nichtselbständiger Tätigkeit. Bis August 1993 wohnten die Kl mit ihren drei Kindern in … danach in … Im Juni 1996 übersiedelten sie nach … bei …

Nachdem der Beklagte (… –FA–) einen seiner Vollstreckungsbeamten mit der Vollstreckung rückständiger Steuerschulden der Kl beauftragt hatte, suchte dieser am 28.5.1998 die Wohn- und Geschäftsadresse der Kl am … in … auf, um Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen. Die anwesende Klin verweigerte ihm den Zutritt. Sie berief sich darauf, dass die Vollstreckungsmaßnahme nicht rechtens sei und ferner kein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliege. Der gegen die mündlich geäußerte Zahlungsaufforderung eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 26.6.1998 als unzulässig verworfen.

Über den Vollstreckungsversuch vom 28.5.1998 fertigte der Vollziehungsbeamte ein sog. Verweigerungsprotokoll (Vollstreckungs-Akte I Bl 134). Darin sind der Kl und die Klin als Vollstreckungsschuldner bezeichnet. Hinsichtlich der geschuldeten Beträge wird in dem Protokoll Bezug genommen auf die Rückstandsanzeigen vom 29.4.1998 (ESt-VZ 1–4/93 zuzügl. Restzahlung ESt 1993 über insgesamt 19.921 DM samt Säumniszuschläge –SZ– in Höhe von 392 DM; im FA nicht auffindbar), vom 25.3.1998 (ESt-VZ 4/96 über 5.300 DM samt SZ von 222 DM, im FA nicht auffindbar), vom 27.5.1997 (USt 1994 der Klin über 67,95 DM samt SZ von 8 DM, Vollstreckungs-Akte II Anhang), vom 3.7.1997 (SZ zur ESt 1992 in Höhe von 443 DM) und vom 24.6.1997 („ESt-Zinsen” in Höhe von 500 DM samt SZ in Höhe von 14 DM, Vollstreckungs-Akte II Anhang). Die Gesamtschuld belief sich danach auf 27.067,95 DM.

Mit Schreiben vom 15.6.1998 beantragte das FA beim Amtsgericht … (Vollstreckungsgericht) den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses. Das Verweigerungsprotokoll vom 28.5.1998 war dem Antrag als Anlage beigefügt. Mit Entscheidung vom 24.6.1998 erließ das Amtsgericht einen entsprechenden Beschluss (Vollstreckungs-Akte II Bl 3), auf den Bezug genommen wird. Die Rechtsmittel der Kl gegen diesen Durchsuchungsbeschluss blieben ohne Erfolg (Beschlüsse des Landgerichts … vom 6.8.1998 und des OLG … vom 15.9.1998, Vollstreckungs-Akte II Bl 99).

Aufgrund dieses Durchsuchungsbeschlusses erschienen am 13.7.1998 drei Vollziehungsbeamte des FA bei den Kl und durchsuchten die Wohn- und Geschäftsräume. Hinsichtlich der geschuldeten Beträge beriefen sie sich auf die Rückstandsanzeigen vom 24.6.1997, 3.7.1997 und 25.3.1998 sowie die Rückstandsabfrage vom 10.7.1998 (Vollstreckungs-Akte II Bl 7). Die Durchsuchung blieb ohne Erfolg, zu einer Pfändung kam es nicht. Auf die Niederschrift über die Durchsuchung vom 13.7.1998 (Vollstreckungs-Akte II Bl 10 ff) wird Bezug genommen.

Die Rückstandsabfragen vom 10. bzw. 9.7.1998 (Vollstreckungs-Akte II Bl 8), in denen beide Kl als Schuldner aufgeführt sind, weisen folgende Rückstände aus:

DM

1. Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1992

500

2. SZ zur Einkommensteuer 1992 (148 DM × 2)

296

3. SZ zum Solidaritätszuschlag 1992 (7 DM × 2)

14

4. SZ zur ESt-VZ II/94 (2 DM × 4)

8

5. SZ zur ESt-VZ III/94 (11 DM × 4 + 6 DM × 3)

62

6. SZ zur ESt-VZ IV/94 (11 DM × 7)

77

7. SZ zur Einkommensteuer 1995 (fällig am 12.2.1998)

10

8. ESt-VZ 1996

5.300

9. SZ zur ESt-VZ 1996 (53 DM × 6)

318

Summe:

6.585

Gegen die Durchsuchung am 13.7.1998 legten die Kl mit Schreiben vom 13.7.1998 Einspruch ein. Des Weiteren beantragten sie die Vollziehung etwaiger weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auszusetzen, hilfsweise die Steuern zu stunden, hilfsweise Vollstreckungsaufschub. Diese Anträge lehnte das FA mit Bescheid vom 4.8.1998 ab. Gleichzeitig wurden die Kl aufgefordert, die nach Ansicht des FA fälligen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen (insgesamt 21.543,85 DM) zu begleichen, um weitere Vollstreckungsmaßnahmen – insbesondere gegenüber der Klin (Abgabe der eidesstattlichen Versicherung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge