rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung unentgeltlicher Leistungen. Wertersatzbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Anweisung eines Schuldners, die ihm von seinen Auftraggebern geschuldeten Beträge auf das Konto eines Dritten (Anfechtungsgegner) zu überweisen, handelt es sich um anfechtbare Rechtshandlungen des Schuldners, die seinen Gläubiger (das FA) benachteiligt, weil dadurch der Zugriff auf die Forderungen des Schuldners bzw. auf eventuelle Guthaben auf dessen Konten beeinträchtigt wird.

2. Für die Annahme einer unentgeltlichen Leistung genügt es, dass diese ohne Rechtspflicht erfolgt ist und keine angemessene Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt ist.

3. Darauf, wie der Dritte die seinem Konto gutgeschriebenen Beträge verwendet, kommt es nicht an. Im Augenblick der Gutschriften auf dessen Konto wird die jeweilige Forderung des Schuldners in voller Höhe einen Zugriff des Gläubigers (FA) entzogen.

4. Da die durch die Einzahlung auf das Konto des Dritten erloschenen Forderungen des Schuldners gegen seine Schuldner nicht zurückgewährt werden können, hat der Dritte Wertersatz zu leisten hat. Dieser besteht darin, dass er verpflichtet ist, bis zur Höhe der erloschenen Forderungen Zahlungen auf die Steuerschulden zu leisten.

5. Der Dritte kann sich nicht auf Entreicherung berufen, wenn sich ihm aufgrund der gegebenen Umstände hätte aufdrängen müssen, dass der Schuldner mit der gewählten Abwicklung des Zahlungsverkehrs die Forderungen gegenüber seinen Schuldnern bzw. deren Zahlungen dem Zugriff seiner Gläubiger entziehen wollte.

 

Normenkette

AnfG § 1 Abs. 1, §§ 2, 4 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; AO § 191 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt) zu Recht Gutschriften auf dem Konto der Klägerin gemäß § 4 Anfechtungsgesetz (AnfG) als unentgeltliche Leistungen angefochten hat.

Die Klägerin ist seit dem 9. März 2005 die Ehefrau des M. Dieser schuldete dem Finanzamt für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2010 zum Stichtag 12. Mai 2010 Abgaben und steuerliche Nebenleistungen i.H.v. insgesamt 46.319,18 EUR.

M hatte unter der Betriebsanschrift …-Str. in X ab Januar 2004 eine gewerbliche Tätigkeit „Bewachung von fremden Leben und Eigentum” angemeldet und in der Folgezeit für von ihm gegenüber verschiedenen Auftraggebern erbrachte Leistungen Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis ausgestellt. Auf den Rechnungen war als Bankverbindung das Konto der Klägerin mit der Nr. … bei der Stadtsparkasse X angegeben. In der Zeit vom 16. Mai bis 22. September 2006 wurden insgesamt 86.087,33 EUR aus Forderungen des M gegenüber seinen Auftraggebern dem Konto der Klägerin gutgeschrieben (vgl. Vollstreckungsakte III Bl. 14).

Nachdem die Vollstreckungsversuche gegen M erfolglos blieben, dieser bereits am 30. September 2008 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte und sich die Klägerin im Rahmen der Anhörung nicht zu der beabsichtigten Anfechtung der Überweisungen äußerte, focht das Finanzamt mit sog. Wertersatzbescheid vom 12. Mai 2010 die streitgegenständlichen Gutschriften auf dem Konto der Klägerin an und forderte die Klägerin auf, Wertersatz in Geld i.H.v. 46.319,18 EUR zu leisten.

Außerdem erging an die Klägerin eine Zahlungsaufforderung, bis zum 10. Juni 2010 38.786,85 EUR aus den bestandskräftigen Abgabenfestsetzungen zu zahlen. Soweit die Abgabenfestsetzungen i.H.v. 7.535,32 EUR noch nicht bestandskräftig waren, erging keine Zahlungsaufforderung.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch wurde Folgendes vorgebracht:

M habe sich noch vor der Eheschließung immer wieder Geld, insgesamt ca. 25.000,– EUR, von seiner damaligen Freundin und jetzigen Ehefrau und Klägerin geliehen, das an diese zurückgezahlt werden sollte, soweit es seine finanziellen Verhältnisse zuließen. Da der Gesamtbetrag von 25.000,– EUR Ende 2005 noch immer offen gewesen sei, habe man zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin vereinbart, dass M seine Auftraggeber anweisen solle, die von ihnen geschuldeten Beträge auf das Konto der Klägerin zu überweisen. Die auf dem Konto der Klägerin eingehenden Beträge seien allerdings nicht vollständig zur Tilgung der offenen 25.000,– EUR verwendet, sondern anteilig wiederum als Darlehen an M ausgereicht worden, indem die Klägerin die laufenden Lebenshaltungskosten des M von ihrem Konto ausgeglichen habe. Dadurch habe das Darlehen im Jahr 2006 um 8.881,54 EUR zurückgeführt werden können. Es fehle deshalb an einer unentgeltlichen Leistung des M und somit an einem Anfechtungsgrund.

Selbst wenn man von einer unentgeltlichen Leistung ausgehe, könne sich die Klägerin auf den Wegfall der Bereicherung berufen, da sie weder von den Steuerschulden des M noch von den Vollstreckungsversuchen des Finanzamts bei M Kenntnis gehabt habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 wies das Finanzamt den Einspruch gegen den Wertersatzbescheid vom 12. Mai 2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung der hie...

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