Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1993
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger (Kl) sind Eheleute, die im Streitjahr zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt wurden. Der Kl ist Rechtsanwalt und erzielte im Streitjahr einen Verlust aus selbständiger Tätigkeit von … DM. Seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit betrugen … DM, die aus Kapitalvermögen … DM und die aus Vermietung und Verpachtung ./. … DM. Die Klägerin bezog Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit von … DM (vgl. zu allem ESt-Bescheid 1993 vom … Mai 1994).
Nach erfolglosem Einspruch
… führen die Kl zur Begründung ihrer Klage im wesentlichen aus:
Die materiellen Grundlagen im Zinsabschlaggesetz vom 9. Dezember 1992, auf denen die Besteuerung ihrer Zinseinkünfte im Streitjahr beruhten, seien verfassungswidrig, denn sie würden nicht den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Urteil vom 27. Juni 1991 aufgestellten Grundsätzen entsprechen. Da der Gesetzgeber den sogenannten Bankenerlaß nicht geändert habe, beständen die vom BVerfG kritisierten Mängel bei der Durchsetzung der Zinsbesteuerung fort. Die Kl, die ihre Zinseinkünfte ordnungsgemäß erklärt hätten, seien durch diese Ungleichheit infolge mangelhafter Gestaltung der Durchsetzung der Besteuerung von Zinseinkünften aus Kapitalvermögen in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Die Zinseinkünfte der Kl hätten daher im angefochtenen ESt-Bescheid 1993 nicht angesetzt werden dürfen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Kl vom 4. September 1994 und vom 25. Februar 1995 mit Anlage Bezug genommen.
Die Kl beantragen,
die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von … DM bei der Festsetzung der ESt 1993 außer Ansatz zu lassen.
Hilfsweise beantragen sie die Zulassung der Revision.
Das Finanzamt (FA) nimmt auf die Ausführungen in der EE Bezug und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die in dem angefochtenen ESt-Bescheid 1993 entsprechend der Erklärung der Kl (Anlage KSO zur ESt-Erklärung 1993, …) vorgenommene Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie der im Zusammenhang damit angerechnete Zinsabschlag von 30 % entsprechend § 20 Abs. 1 Ziff. 7 und Abs. 4 bzw. §§ 43, 43a Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Zinsabschlaggesetzes vom 9. November 1992 (BStBl I 1992, 682) sind rechtmäßig.
Die im Zinsabschlaggesetz getroffenen Regelungen sind verfassungsgemäß.
Mit Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654 hat das BVerfG die bisherige Besteuerung der Zinseinkünfte für verfassungswidrig gehalten und dabei u. a. folgende Grundsätze aufgestellt (vgl. Blumich, Kommentar zum EStG, RdNr. 7c zu § 43 EStG):
Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Ermessensspielraum.
Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt aber, daß die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden müssen.
Eine Steuerbelastung, die nahezu ausschließlich auf der Erklärungsbereitschaft der Steuerpflichtigen beruht, weil die Erhebungsregelungen Kontrollen der Steuererklärungen weitgehend ausschließen, trifft nicht mehr alle und verfehlt damit die steuerliche Lastengleichheit, so daß im Veranlagungsverfahren das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip bedarf.
Gesamtwirtschafliche Gründe können einen Verzicht des Gesetzgebers auf eine hinreichende Kontrolle der im Veranlagungsverfahren abgegebenen Erklärung des Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen.
Die Durchsetzung des Steueranspruchs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinn des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG weist erhebliche Mängel auf. Der Steuerpflichtige kann davon ausgehen, daß er nur in seltenen Ausnahmefällen zur Rechenschaft gezogen wird, wenn er seine Einkünfte verschweigt.
Rund die Hälfte der steuerpflichtigen Kapitalerträge werden nicht erfaßt; dies hat seine wesentliche Ursache im Bankenerlaß – jetzt § 30a Abgabenordnung –AO –, der eine wirksame Ermittlung und Kontrolle der Einkünfte aus Kapitalvermögen verhindert und sich damit als strukturelles Vollzugshindernis darstellt.
Der Grundsatz der Besteuerungsgleichheit begründet für den Gesetzgeber die Pflicht, die Gleichheit innerhalb einer angemessenen Frist, spätestens mit Wirkung vom 1.1.1993 durch hinreichende gesetzliche Vorkehrungen für die Zukunft zu gewährleisten.
Das BVerfG, das wie ausgeführt zwar die bisherige unzureichende Ermittlung und Erfassung der Erträge aus Kapitalvermögen weitgehend auf den sog. Bankenerlaß, dem ab 3. August 1988 inhaltlich § 30a AO entspricht, zurückgeführt hat, hat es dem Gesetzgeber aber auch freigestellt, im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens z. B. alle Kapitaleinkünfte an der Quelle zu besteuern und mit einer Definitivsteuer zu belasten, deren Bemessung an § 43a EStG...