Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugangsfiktion nach § 122 Abs. 2

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bestreitet der Steuerpflichtige nicht den Zugang des Schriftstücks überhaupt, sondern den Erhalt innerhalb des Dreitageszeitraums, so hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen.

2. An diese Substantiierung sind aber keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, damit die Regelung über die objektive Beweislast, die nach dem Gesetz die Finanzverwaltungsbehörde trifft, nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen umgekehrt wird.

3. Den Steuerpflichtigen trifft bei behauptetem überlangem Postlauf die Obliegenheit zur Beweisvorsorge, diesen Umstand umgehend dem Finanzamt anzuzeigen.

4. Zur Begründung von Zweifeln am Zugang innerhalb der Dreitagesfrist reicht ein abweichender Eingangsvermerk nicht aus.

 

Normenkette

AO § 355 Abs. 1, §§ 357, 122 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 2. Halbsatz; FGO § 96 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Da die Kläger trotz Aufforderung die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 nicht abgaben, schätzte der Beklagte, das Finanzamt, mit Bescheid vom 5. Mai 2017 die Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer 2015 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Aufgrund der Angaben in der am 8. November 2017 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2015 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung für 2015 mit Bescheid vom 13. Juni 2018 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Das Finanzamt folgte dabei den Angaben in der Einkommensteuererklärung zu den haushaltsnahen Dienstleistungen über 3.433,00 EUR und den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit des Klägers über 4.897,00 EUR teilweise nicht. Das Finanzamt ließ nur Werbungskosten in Höhe von 1.936,00 EUR zum Abzug zu und berücksichtigte keine haushaltsnahen Dienstleistungen; es verwies dabei darauf, dass trotz Aufforderung vom 27. November 2017 und diversen Erinnerungen die angeforderten Unterlagen und Nachweise nicht vorgelegt worden seien. Der Einkommensteuerbescheid für 2015 von 13. Juni 2018 war an den damaligen Steuerberater der Kläger, die […] (XY-StB) als Bekanntgabeadressat gerichtet.

Am 8. November 2017 reichten die Kläger auch ihre Einkommensteuererklärung für 2016 ein. Das Finanzamt folgte im Bescheid vom 13. Juni 2018 über die Einkommensteuer für 2016 den Angaben in der Einkommensteuererklärung hinsichtlich der haushaltsnahen Dienstleistungen über 2.736,00 EUR und den Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit des Klägers über 3.795,00 EUR wieder nur zum Teil. Das Finanzamt ließ nur Werbungskosten in Höhe von 1.387,00 EUR zum Abzug zu und berücksichtigte wiederum keine haushaltsnahen Dienstleistungen. Zur Begründung verwies das Finanzamt dabei, ebenso wie bei der Einkommensteuer 2015, darauf, dass trotz Aufforderung vom 27. November 2017 und diversen Erinnerungen die angeforderten Unterlagen und Nachweise nicht vorgelegt worden seien. Der Einkommensteuerbescheid für 2016 von 13. Juni 2018 war an den damaligen Steuerberater der Kläger, die XY-StB als Bekanntgabeadressat gerichtet.

Mit Schreiben vom 19. Juli 2018, das dem Finanzamt per Telefax am selben Tag übermittelt wurde, legten die Kläger – vertreten durch ihre Steuerberater, die XY-StB – gegen die Bescheide über die Einkommensteuer für 2015 und 2016 vom 13. Juni 2018 Einspruch ein. Im Einspruchsschreiben wiesen sie darauf hin, dass diese Bescheide über die Einkommensteuer 2015 und 2016 am 25. Juni 2018 der XY-StB zugegangen seien.

Mit Schreiben vom 20. August 2018 forderte das Finanzamt von den Klägern eine Begründung des Einspruchs an. Nachdem bis zum 15. Juli 2019 trotz mehrerer Erinnerungen keine Begründung vorgelegt worden war, teilte das Finanzamt der XY-StB mit, dass der Einspruch erst nach Ablauf der einmonatigen (am 18. Juli 2018 ≪Mittwoch≫ endenden) Einspruchsfrist und damit verspätet beim Finanzamt eingegangen sei. Für den behaupteten Zugang der Bescheide in der Kanzlei der XY-StB erst zum 25. Juni 2018 seien bisher keine Nachweise vorgelegt worden. Die Kläger würden aufgefordert, das Posteingangsbuch der Steuerberater, aus dem der Zugang der Bescheide ersichtlich sei, vorzulegen. Mit Einspruchsentscheidung vom 3. März 2020 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass es zugunsten der Kläger – obwohl keine Nachweise für den späteren Zugang der Steuerbescheide vorgelegt worden seien – davon ausgehe, dass das Einspruchsschreiben vom 19. Juli 2019 fristgerecht eingegangen sei. Da trotz mehrfacher Erinnerung aber der Einspruch nicht begründet worden seien und keine Nachweise für die geltend gemachten Aufwendungen vorgelegt worden seien, sei der Einspruch als unbegründet zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich die Klage. Mit ihrer Klage lassen die Kläger vortragen, dass die Einkommensteuerbescheide für 2015 und 2016 vom 13...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?