Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlust-Verrechnungs-Beschränkung des § 2 Abs 3 EStG 1997 i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002
Leitsatz (redaktionell)
Es bestehen ernsthafte Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Verlust-Verrechnungs-Beschränkung des § 2 Abs 3 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 wegen einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips und eines hiermit verbundenen Verstosses gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Verpflichtung eines Steuerpflichtigen, bei Berücksichtigung des § 2 Abs. 3 EStG Einkommensteuer zu zahlen, obwohl seine Leistungsfähigkeit in einem so großen Umfang gemindert ist, dass bei direkter Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips keine Einkommensteuer anfiele, stellt eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.
Normenkette
EStG 1997 i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002 § 2 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Zu entscheiden ist im noch beim Antragsgegner (Ag.) anhängigen Einspruchsverfahren, ob bei den zusammen veranlagten Antragstellern (Ast.) eine Verrechnung von positiven Einkünften aus selbständiger Arbeit mit negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 2 Abs. 3 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 teilweise ausgeschlossen ist.
Die Ast. erzielen nach eigenen Angaben, die der Ag. für seine Berechnungen zugrunde gelegt hat, hohe positive Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Nach den in die Verfahren eingeführten Änderungsbescheiden vom 11.04.2000 sind das (438.089 DM + 421.640 DM =) 859.729 DM für das Jahr 1999 und (454.089 DM + 437.640 DM) = 891.729 DM für das Jahr 2000. Dem stehen vom Ag. ebenfalls nicht bestrittene Verluste aus Vermietung und Verpachtung (von jeweils 368.590 DM + 368.588 DM) = 737.178 DM für die Jahre 1999 und 2000 gegenüber. Unter Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG blieben von den Verlusten (737.178 DM ./. 529.864 =) 207.314 DM für das Jahr 1999 und (737.178 DM ./. 514.864 DM =) 222.314 DM für das Jahr 2000 bei der Berechnung der Einkommensteuervorauszahlungen unberücksichtigt. Unter Berücksichtigung weiterer steuerlicher Merkmale der Ast. – voraussichtliche Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Ausbildungsfreibeträge, Aufwendungen für die eigengenutzte Wohnung und Kinderfreibeträge, über die ebenfalls kein Streit besteht, kam es zur Festsetzung von Vorauszahlungen.
Nachdem der Ag. für die sich anschließenden Einspruchsverfahren die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, begehren die Ast. nunmehr Aussetzung der Vollziehung bei Gericht. Dazu tragen sie im wesentlichen vor, die Neuregelung der Verlustberücksichtigung in § 2 Abs. 3 EStG und die daraus sich ergebende Mindestistbesteuerung im Rahmen der Einkommenbesteuerung verstoße gegen Verfassungsrecht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz sei verletzt, weil die Einkommensteuer von einem höheren Einkommen berechnet werde, als es von ihnen tatsächlich erzielt worden sei. Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Nettoprinzip) werde verletzt. Außerdem werde das Prinzip der Abschnittsbesteuerung (Festsetzung der Steuern nach dem tatsächlichen Jahreseinkommen) durchbrochen. Sie, die Ast., hätten in den Jahren 1992 bis 1996 zum staatlich gewollten Aufbau Ost beigetragen und zwei Immobilienobjekte erworben. Ihre kreditfinanzierte Investitionsentscheidung hätte ohne die Neuregelung in § 2 Abs. 3 EStG zu einer faktischen Steuerfreistellung bis zum Jahre 2001 geführt. Obwohl ihnen nach dieser Planung für 1999 und 2000 kein disponibles Einkommen verbliebe, müßten sie ca. 150.000 DM Steuern zahlen. Damit seien sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet.
Die Ast. beantragen,
die Vollziehung der Einkommensteuervorauszahlungsbescheide in der jeweils letztgültigen Fassung vom 11.04.2000 bis zur Entscheidung über die Einsprüche auszusetzen.
Der Ag. beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Er meint im wesentlichen, die Neuregelung des § 2 Abs. 3 EStG bewege sich im Rahmen des gesetzgeberischen Handlungspielraumes. In jedem Fall dürfe eine Aussetzung der Vollziehung aber nicht gewährt werden, weil die öffentlichen Belange an einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung in den vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes höher zu bewerten seien, als die Interessen der Ast. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Ast. und die Bedrohung durch irreparable Nachteile seien nicht gegeben. Das zu versteuernde Einkommen abzüglich der Vorauszahlungen liege über dem sozialhilferechtlich garantierten Existenzminimum.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die angefochtenen Bescheide und die Schriftsätze der Beteiligten vom 13.03., 11.04. und 09.05.2000 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung sind begründet.
Gem. § 69 Abs. 3 i. V. mit § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag des durch einen Verwaltungsakt Betroffenen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigke...