Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. des GSA Fleisch
Leitsatz (redaktionell)
1) Betriebe der Fleischwirtschaft sind Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, in den überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird. Während das Schlachten alle Tätigkeiten des Schlachtens und Zerlegens von Tieren umfasst, unterfallen der Verarbeitung alle Tätigkeiten der Weiterverarbeitung von beim Schlachten gewonnenen Fleischprodukten zur Herstellung von Nahrungsmitteln sowie der Portionierung und Verpackung.
2) Die Prüfung, ob ein Betrieb ein solcher der Fleischwirtschaft im Sinne des § 6 Abs. 9 AentG ist, ist nach dem Überwiegensprinzip zu beurteilen, wenn es sich bei dem Betrieb um einen Mischbetrieb handelt.
3) Handelt es sich bei dem Betrieb nicht um einen Mischbetrieb, unterfällt der Betrieb bereits dann dem AentG, wenn der von ihm verfolgte (alleinige) Geschäftszweck zu einer der im Katalog des AEntG aufgeführten Branchen gehört.
4) Ein Mischbetrieb liegt vor, wenn er mehrere eigenständige Tätigkeitsbereiche und damit mehrere Geschäftszweige verfolgt. Der Geschäftszweck eines Betriebes ist dabei der Unternehmensgegenstand, d.h. der Bereich und die Art der wirtschaftlichen Betätigung des Unternehmens.
5) Dem Fremdpersonaleinsatz unterfallen nicht alle Tätigkeiten eines Betriebs der Fleischwirtschaft, sondern nur Tätigkeiten „im Bereich der Fleischverarbeitung”.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4; GSA Fleisch § 6d Abs. 2; FGO § 114; AEntG § 6 Abs. 9; GSA Fleisch § 2; Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) § 6a
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass sie – mit ihrem Betrieb im Ganzen oder hilfsweise zumindest mit einzelnen Betriebsbereichen – nicht als Betrieb der Fleischwirtschaft dem Fremdpersonalverbot nach dem Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) unterfällt.
Die Antragstellerin ist im Bereich der Veredelung und Verpackung von Geflügel-, Schweine- und Rindfleisch sowie der Herstellung von vegetarischen und veganen Artikeln in Tiefkühlung und Kühlung tätig. Sie beliefert unter anderem den Lebensmitteleinzelhandel sowie Hersteller von Fertigmenüs, Pfannengerichten, Feinkost-Salaten und anderen Nahrungsmitteln im In- und Ausland. Weiter beliefert sie professionelle Anbieter von Verpflegungsleistungen wie beispielsweise Betriebsgastronomie, Krankenhäuser, Seniorenheime, Schulküchen etc. Insgesamt vertreibt sie ca. 650 unterschiedliche Artikel wie beispielsweise „xxx”, „xxx”, „xxx” und „xxx”. Ein Großteil der Artikel wird auf der Internetseite der Antragstellerin (xxx) mit Foto und Beschreibung aufgeführt. Die überragend höchsten Absätze (in Kilogramm) erzielt die Antragstellerin mit den in Anlage 5 zur Antragsschrift aufgeführten „Top 63-Artikeln”, welche alle Fleisch beinhalten. Auf die Anlage 5 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Die Antragstellerin betreibt ihren einzigen Betrieb unter der im Rubrum genannten Anschrift. Auf dem Betriebsgrundstück befinden sich mehrere Gebäude, in welchen sich unter anderem die Abteilungen Disposition, Einkauf, Wareneingang/Qualitätskontrolle, Fakturierung, Produktion, Verpackung, Lager/Versand, Verwaltung und Werkstatt befinden.
Die Antragstellerin schlachtet nicht selbst. Sie kauft die von ihr zu verarbeitenden Fleischstücke von (fremdem) Schlachtbetrieben ein.
Die Antragstellerin beschäftigt derzeit insgesamt ca. 766 Arbeitnehmer in unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Die Anzahl der Arbeitnehmer schwankt nur leicht. Vollzeitbeschäftigte arbeiten bei der Antragstellerin 39 Stunden in der Woche. Derzeit beschäftigt sie – aufgrund der Einführung des Fremdpersonalverbotes zum 01.04.2021 in § 6a Abs. 2 GSA Fleisch – ausschließlich Arbeitnehmer, die in einem Anstellungsverhältnis mit ihr stehen. Die Antragstellerin ist nicht tarifgebunden.
Mit Schreiben vom 21.10.2021 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Feststellung, dass sie kein Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne des § 6 Abs. 9 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) sei und demzufolge nicht dem GSA Fleisch unterfalle. Bezogen auf die Arbeitsstunden ihrer 766 Mitarbeiter sei sie – was weiter ausgeführt wird – zu weniger als 50 % und damit nicht überwiegend in der Fleischverarbeitung tätig. Sie sei somit kein Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne des § 6 Abs. 9 AEntG. Damit sei der Geltungsbereich des GSA Fleisch nicht eröffnet und das Verbot der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern gelte für sie nicht. Um Feststellung bis zum 05.11.2021 werde aufgrund des dringend benötigten Einsatzes von Leiharbeitnehmern zur Einhaltung von Lieferterminen gebeten. Auf den Antrag nebst Anlagen wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 05.11.2021 teilte der Antragsgegner mit, dass er die begehrte Feststellung nicht allein auf der Grundlage des schriftlich vorgetragenen Sachverhalts beantworten könne, sondern erst nach einer Prüfung vor Ort. Vor diesem Hintergrund erließ der Antragsgegne...