Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung und Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und Satz 2 GrStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Anspruch auf Befreiung von der Grundsteuer kann auch durch Anfechtung des Einheitswertbescheides geltend gemacht werden, sofern die Finanzbehörde nicht ausdrücklich die Entscheidung über die grundsteuerlichen Fragen dem Steuermessbetragsverfahren vorbehalten hat.
2) Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung kann einem Religionsverein, der weder Körperschaft des öffentlichen Rechts noch eine jüdische Kultusgemeinde ist, die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG weder im Wege der Auslegung noch im Wege der Rechtsfortbildung zugestanden werden.
3) An der Verfassungsmäßigkeit von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und Satz 2 GrStG bestehen keine ernstlichen Zweifel.
Normenkette
GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1-2; GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1
Tatbestand
In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Gewährung der Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Grundsteuergesetz (GrStG) für die vom Antragsteller (Ast.) zu Vereinszwecken genutzten Gebäudeteile des bebauten Grundstücks E-Straße … in C.
Der Ast. ist ausweislich seiner im Internet veröffentlichten Satzung ein rechtsfähiger Verein. § 1 Abs. 4 dieser Satzung verweist darauf, dass es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, die im Rahmen des Art. 140 des Grundgesetztes (GG) in Verbindung mit den fortgeltenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung gegründet worden ist. Gem. § 3 der Satzung bietet der Verein den in Europa lebenden oder sich in Europa aufhaltenden Menschen gleichen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung an. In § 5 Abs. 1 der Satzung heißt es: „Der Verein dient ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i.S.d. Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung.” Zu den Einzelheiten wird auf die Satzung (Bl. 15-21 der Gerichtsakte) verwiesen.
Aufgrund notariellen Kaufvertrages vom 13.03.2001 erwarb der Ast. das Eigentum an dem 1.366 qm großen Grundstück E-Straße … in C (Flur …, Flurstücke … teilweise) zu einem Kaufpreis von 196.600,00 DM.
Mit Einheitswertbescheid vom 12.02.2002 führte der Antragsgegner (Ag.) zum 01.01.2002 eine Zurechnungsfortschreibung des unbebauten Grundstücks auf den Ast. durch. Der Einheitswert betrug 16.400,00 EUR.
Am 15.08.2003 stellte der Ast. beim Ag. einen Antrag auf Grundsteuerbefreiung für das streitbefangene Grundstück gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG mit der Begründung, dass das Objekt für satzungsmäßige und somit gemeinnützige Zwecke des Ast. genutzt werde. Zum Nachweis seiner Gemeinnützigkeit reichte der Ast. einen Freistellungsbescheid für 2000 bis 2002 zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer des Finanzamtes L vom 10.10.2003 ein, aus dem sich ergibt, dass der Ast. von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit sei, weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO diene. Ferner legte der Ast. eine Bescheinigung des Finanzamtes L vom 26.11.2001 für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2004 vor, in der bescheinigt wird, dass es sich bei dem Ast. um eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. d. § 44 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handele. Zudem legte der Ast. eine Bescheinigung des Innenministeriums des Landes NRW vom 12.08.1994 vor. Zu den Einzelheiten wird insofern auf die sich in der Einheitswertakte befindlichen Bescheinigungen und Bescheide verwiesen.
Daraufhin hob der Ag. den festgestellten Einheitswert zum 01.01.2005 mit Bescheid vom 28.07.2004 auf.
Der Ast. errichtete auf dem Grundstück ein Gebäude, welches im Jahre 2005 fertiggestellt wurde. Zum hier streitgegenständlichen Stichtag 01.01.2006 nutzte der Ast. das Erdgeschoss (Nutzfläche: 151,42 qm) sowie das Obergeschoss (Nutzfläche: 228,42 qm) zu Vereinszwecken, insbesondere als Gebetsraum. Im Dachgeschoss des Gebäudes befand sich zum Stichtag eine Wohnung (Wohnfläche: 154,89 qm). Zur Aufteilung des Gebäudes wird auf die Mitteilung der Stadt C vom 19.09.2005 nebst anliegender Nutz- bzw. Wohnflächenberechnungen in der Einheitswertakte (EW-Akte) verwiesen.
Nach Fertigstellung des Gebäudes führte der Ag. zunächst auf den 01.01.2006 mit Einheitswertbescheid vom 13.06.2006 eine Wert- und Artfortschreibung durch. Der Ag. bewertete das Grundstück als Mietwohngrundstück und stellte den Einheitswert auf 24.030,00 EUR fest. Dabei legte der Ag. der Bewertung lediglich die als Wohnräume genutzten Gebäudeteile im Dachgeschoss zugrunde. Zu den Einzelheiten wird auf den Einheitswertbescheid vom 13.06.2006 sowie auf den dazu erstellten Vorbogen zur Ermittlung der Jahresrohmiete in der Einheitswertakte verwiesen.
Im November 2006 teilte die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamtes L dem Ag. mit, dass dem Ast. aufgrund der Ergebnisse einer Betriebs-/Fahndungsprüfung die Gemeinnützigk...