Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
1) Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer ist eine Massenverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Zu der Insolvenzmasse gehört danach auch die Rechtsposition des Halters des Fahrzeugs.
2) Es ist fraglich, ob allein die Besitznahme der sog. Istmasse die Haltereigenschaft begründet und zwar auch dann, wenn sich der Gegenstand als von vornherein unpfändbar erweist und die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters ausgeschlossen ist.
Normenkette
ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 5; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Mit Beschluss des Amtsgerichts C. vom 24.06.2008 wurde über das Vermögen der nicht selbständig tätigen Frau U. G. (G.) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsteller zum Treuhänder bestellt. Auf G. war im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der Personenkraftwagen (Pkw) mit dem Kennzeichen XXX-YY 001 zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen. Der Antragsgegner (Finanzamt) setzte mit Bescheid vom 07.10.2008 Kraftfahrzeugsteuer gegen den Antragsteller fest. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2008 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt an, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Kraftfahrzeugsteuer sei als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen. Die gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage ist unter dem Aktenzeichen 13 K 3932/08 Kfz anhängig.
Die vom Antragsteller am 08.10.2008 beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 16.10.2008 ab.
Der Antragsteller stellte daraufhin einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, dem der Senat mit Beschluss vom 16.12.2008 entsprach.
Der Antragsteller ist der Auffassung, der Kraftfahrzeugsteuerbescheid habe nicht gegen ihn gerichtet werden dürfen. Das Fahrzeug gehöre nicht zur Insolvenzmasse, da es nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar sei. Die Schuldnerin sei unselbständig tätig, den Pkw benötige sie zur Fortführung ihrer beruflichen Tätigkeit. Zur weiteren Begründung verweist der Antragsteller auf den Schriftsatz vom 21.10.2008.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids für 2008 vom 07.10.2008 auszusetzen, soweit Aussetzung der Vollziehung gewährt wird, die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid sei rechtmäßig. Die nach der Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer sei unabhängig von einer Freigabe des Fahrzeugs Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs.1 Nr. 1 InsO. Im Übrigen wies der Antragsgegner darauf hin, dass keine Kraftfahrzeugsteuerrückstände mehr bestehen. Auf den Schriftsatz vom 02.02.2009 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO soll die Aussetzung der Vollziehung u. a. dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit liegen dann vor, wenn bei überschlägiger Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheiten oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen und Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (z. B. BFH-Urteil vom 10.04.1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182; vom 17.05.1978 I R 50/77, BStBl II 1978, 579; vom 17.05.1995 I S 3/95, BFH/NV 1995, 171). Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO). Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung schließt, sofern er nicht auf eine in der Zukunft wirkende Maßnahmen beschränkt wird, das Begehren nach einer Aufhebung der Vollziehung ein (vgl. Tipke-Seer, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 176 m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat der Antrag Erfolg. Da nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners keine Rückstände mehr bestehen, der Verwaltungsakt demnach bereits vollzogen ist, führt der Antrag zur Aufhebung der Vollziehung.
Nach der BFH-Rechtsprechung ist die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Zu der Insolvenzmasse gehört danach auch die Rechtsposition des Halters des Fahrzeugs. Der Insolvenzverwalter muss auch solche Gegenstände verwalten, die zwar nicht rechtlich zur Insolvenzmasse gehören, sich aber in der Masse befinden, weil sie z. B. zur Verwendung im Geschäft des Schuldners bestimmt sind. Nach Auffassung des BFH endet die Steuerpflicht mit der verkehrsrechtlich vorgeschriebenen Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle. Lediglich eine Freigabe reicht hierzu nicht...