Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageerhebung durch einen Steuerberater ausnahmsweise noch per Telefax zulässig bei fehlender Registrierung für das beSt
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Steuerberater muss seit 1.1.2023 eine finanzgerichtliche Klage als elektronisches Dokument einreichen, wenn für ihn ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) als sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht.
2. Die aktive Nutzungspflicht beginnt jedoch erst, sobald die Bundessteuerberaterkammer dem jeweiligen Steuerberater die Registrierungsaufforderung mit den notwendigen Registrierungsangaben für das beSt übersandt hat.
3. Ein früherer Beginn der aktiven Nutzungspflicht ergibt sich nicht aus der Möglichkeit, den Versand der Registrierungsaufforderung durch einen entsprechenden Antrag bei der Bundessteuerberaterkammer – einen sog. „Fast-Lane-Antrag” – zu beschleunigen.
4. Andererseits kommt es nicht darauf an, ob dem jeweiligen Steuerberater die von ihm vorzuhaltenden technischen Einrichtungen, wie z.B. ein Personalausweis mit aktivierter Online-Ausweisfunktion und ein Kartenlesegerät, zur Verfügung stehen und der Steuerberater das beSt tatsächlich freigeschaltet hat.
5. Wenn dem Steuerberater im Zeitpunkt der fraglichen Klageerhebung die Registrierungsaufforderung mit den notwendigen Registrierungsangaben noch nicht vorgelegen hat, kann die Klage formwirksam per Telefax erhoben worden.
Normenkette
FGO § 52a Abs. 4 S. 1 Nr. 2, §§ 52d, 62 Abs. 2 S. 1, § 64 Abs. 1; StBerG § 86 Abs. 2 Nrn. 10-11, §§ 86c, 86d, 86e; StBPPV § 11 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4
Tatbestand
I.
In der Sache ist streitig, ob und ggf. in welcher Höhe Werbungskosten bei den Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes zu berücksichtigen sind.
Nachdem die Kläger zunächst keine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2019 abgegeben hatten, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen. Neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte er Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von x EUR. Der festgesetzte Verspätungszuschlag betrug x EUR. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 12.11.2021).
Im Einspruchsverfahren machten die Kläger unter anderem geltend, dass er, der Kläger, lediglich einen Veräußerungsgewinn in Höhe von x EUR erzielt habe. Der Beklagte hob den Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 11.03.2022 auf. Im Juni 2022 reichten die Kläger eine Einkommensteuererklärung für 2019 ein, aus welcher sich ein Veräußerungsverlust in Höhe von x EUR (Objekt „L-Str., xxxxx Q-Stadt”) ergab. Dabei setzten die Kläger Werbungskosten in Höhe von x EUR an. Später reduzierten sie die geltend gemachten Kosten auf einen Betrag von x EUR.
Nachdem der Beklagte die Kläger erfolglos zur Vorlage von Nachweisen aufgefordert hatte, erging die Teil-Einspruchsentscheidung vom 09.12.2022. Der Beklagte reduzierte die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf x EUR, wobei er die geltend gemachten Werbungskosten nicht anerkannte. Den Verspätungszuschlag setzte er auf x EUR herab.
Die – durch einen Steuerberater vertretenen – Kläger haben am 12.01.2023 per Telefax Klage erhoben (Bl. 1 GA). Nach Hinweis des Berichterstatters auf § 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO – führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass ihm das besondere elektronische Steuerberaterpostfach – beSt – bei Klageerhebung noch nicht zur Verfügung gestanden habe. Der Registrierungsbrief der Bundessteuerberaterkammer – BStBK – sei ihm erst heute – also am 21.02.2023 (Bl. 13 GA) – zugegangen. Zum Nachweis legte er den an ihn adressierten Registrierungsbrief vom 17.02.2023 vor.
Entscheidungsgründe
II.
A. Der Senat entscheidet über die Frage der Formwirksamkeit der Klage durch Zwischen-Gerichtsbescheid gemäß §§ 97, 90a FGO.
Nach § 97 FGO kann über die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil vorab entschieden werden. Die Entscheidung kann auch durch Gerichtsbescheid ergehen (BFH-Zwischenurteil vom 05.11.2019 X R 15/18, BFH/NV 2020, 526). Der Begriff „Zulässigkeit einer Klage” ist weit auszulegen; er bezieht sich auf alle für das Klageverfahren erheblichen Sachurteilsvoraussetzungen und bedeutet nicht, dass ein Zwischenurteil nur ergehen darf, wenn sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für die betreffende Klage geprüft und bejaht worden sind (BFH-Urteil vom 22.07.2015 V R 49/14, BFH/NV 2015, 1692).
Der Erlass einer Zwischenentscheidung gemäß § 97 FGO ist im vorliegenden Verfahren sachgerecht. Hierdurch wird die bestehende Ungewissheit über die Formwirksamkeit der Klage beseitigt. Die Auslegung des § 52d Satz 2 FGO ist in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
B. Die Klage ist formwirksam per Telefax erhoben worden (dazu I.). Der Prozessbevollmächtigte der Kläger war im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht nach § 52d Satz 2 FGO verpflichtet, die Klageschrift als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Pflicht zur aktiven Nutzung des...