Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer 1993 und 1994
Nachgehend
Tenor
Die Umsatzsteuer-Bescheide für 1993 vom 07.04.1995 und für 1994 vom 31.03.1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.05.1996 werden dergestalt geändert, daß die Umsatzsteuer 1993 auf … DM und die Umsatzsteuer 1994 auf … DM festgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluß:
Der Streitwert wird auf … DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob eine vom Finanzamt beantragte Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG Rückwirkung entfaltet.
Der Kläger (Kl.) ist ein gemeinnütziger, eingetragener Verein, der in den Streitjahren 1993 und 1994 seine Entgelte aus Konzerten, Fernsehauftritten und sonstigen Auftritten der Umsatzsteuer (USt) unterwarf und aus an ihn gerichtete Eingangsrechnungen den Vorsteuerabzug geltend machte. In der USt-Erklärung 1993 errechnete der Kl. sich einen USt-Überschuß (Rotbetrag) in Höhe von … DM, die USt-Erklärung 1994 wies einen Rotbetrag in Höhe von … DM aus. Für 1993 stimmte der Beklagte (Bekl.) am 27.06.1994 der Steueranmeldung zu.
Am 07.12.1994 begann beim Kl. eine USt-Sonderprüfung für 1992 bis 1994. Mit Schriftsatz vom 09.12.1994 beantragte der Bekl. bei der Bezirksregierung Münster eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG. Mit an den Bekl. gerichtetem Bescheid vom 02.02.1995, auf den Bezug genommen wird, bescheinigte die Bezirksregierung Münster, daß der Kl. für die Zeit vom 20.03.1991 bis 31.12.1994 die gleichen kulturellen Aufgaben wie Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände erfüllt hat. Diese Bescheinigung ging am 28.02.1995 beim Kl. ein. Im USt-Außenprüfungsbericht vom 17.02.1995 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß die Umsätze des Kl. steuerfrei und demgemäß die Vorsteuern nicht abziehbar seien. Der Bekl. setzte die USt für die Streitjahre jeweils auf … DM fest (USt-Bescheide für 1993 vom 07.04.1995 und für 1994 vom 31.03.1995).
Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung – EE – vom 28.05.1996).
Dagegen richtet sich die Klage.
Der Kl. meint, die Bescheinigung der Bezirksregierung wirke nicht zurück auf Zeiträume vor ihrer Ausstellung. Eine andere Auslegung würde dazu führen, daß dem Bekl. die Möglichkeit eröffnet würde, im nachhinein einseitig auf die Besteuerung des Kl. einzuwirken. Dies widerspreche dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, da die Besteuerung nicht vom freien Ermessen des Finanzamts abhängig sein dürfe. Auch könne die vom Bekl. im Streitfall vorgenommene Handhabung Probleme im Hinblick auf § 14 UStG hervorrufen. Das Finanzamt könne das Ziel der einheitlichen Besteuerung gleichartiger Einrichtungen problemlos dadurch erreichen, daß es rechtzeitig einen Antrag in Bezug auf § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG bei der zuständigen Behörde stelle.
Der Kl. beantragt sinngemäß,
die USt-Bescheide für 1993 vom 07.04.1995 und für 1994 vom 31.03.1995 in Gestalt der EE vom 28.05.1996 dergestalt zu ändern, daß die USt erklärungsgemäß festgesetzt wird.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat hält es für zweckmäßig, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a Abs. 1 FGO).
Die Klage ist begründet.
Die gemäß § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG ausgestellte Bescheinigung der Bezirksregierung Münster entfaltet keine Rückwirkung. Die Umsätze des Kl. waren in den Streitjahren daher nicht umsatzsteuerfrei, so daß die dem Kl. in Rechnung gestellte USt auch nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
Die Bescheinigung der Bezirksregierung Münster ist formell ordnungsgemäß und inhaltlich bestimmt (vgl. zur Zuständigkeit: Verordnung über die Zuständigkeiten nach § 4 Nr. 20 a und Nr. 21 b des UStG in GV. NW. 1989, 104). Da sie aber lediglich für Zeiträume vor ihrer Ausstellung gelten soll, ist sie umsatzsteuerlich unbeachtlich. Nach dem BFH-Urteil vom 15. September 1994 XI R 101/92, BFHE 176, 146, BStBl II 1995, 912, dem der Senat folgt, hat die Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG nicht lediglich deklaratorischen Charakter, sondern stellt die materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung dar. Diese Voraussetzung kann nicht rückwirkend, sondern nur für künftige Zeiträume gestaltet werden. Zur weiteren Begründung wird auf das oben genannte BFH-Urteil verwiesen.
Die gegenteilige im BFH-Beschluß vom 06. Dezember 1994 V B 52/94, BStBl II 1995, 913; im BMF-Schreiben vom 30. November 1995, BStBl I 1995, 827 und vom FG des Saarlandes, Urteil vom 12. November 1992 1 K 195/92, EFG 1993, 477 vertretene Auffassung würde dem Finanzamt ein für den Steuerpflichtigen nicht berechenbares Wahlrecht über die Steuerfreiheit seiner Umsätze geben. Der erkennende Senat ist mit der Verwaltungsmeinung (Verfügung der OFD Nürnberg S 7177 – 22/St 43 vom 28. März 1978, UStR 1978, 95; Besprechung USt VII/77 mit den USt-Referenten, Punkt 5 – S 7177, UStR 1978, 117) und dem ...