rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelzwangsvollstreckung nach Feststellung der Massearmut unzulässig
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Einzelzwangsvollstreckung durch die Finanzbehörde wegen einer Umsatzsteuerforderung aus Umsätzen des Konkursverwalters ist nach Feststellung der Massearmut unzulässig. Die USt-Forderung ist nur im Rahmen des § 60 KO zu erfüllen.
2) Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Forderung der Finanzbehörde bereits vor oder aber erst nach Feststellung der Masseunzulässigkeit entstanden ist.
3) Der Anspruch eines Neumassegläubigers ist nicht mit dem Vergütungsanspruch des Konkursverwalters gleichzusetzen.
Normenkette
AO § 251 Abs. 2 S. 1; EGAO Art. 97 § 11a S. 2; KO § 58 Nr. 2, § 60; EGInsO Art. 103 S. 1
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob im massearmen Konkursverfahren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen einer Umsatzsteuer(USt)-Forderung aus Handlungen des Konkursverwalters nach Feststellung der Massearmut zulässig sind.
Der Kläger (Kl.) ist Konkursverwalter in dem am 28.08.1997 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der … G. gesellschaft mbH. Im Konkursverwalterbericht vom 10.10.1997 stellte der Kl. die Massunzulänglichkeit fest und regte zugleich die Einstellung des Konkursverfahrens mangels Masse an.
Durch die Verwertung von beweglichem Anlagevermögen der GmbH durch den Kl. entstand eine USt-Schuld in Höhe von 65.217 DM. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich insoweit um die Verwertung von Sicherungsgut handelte. Nachdem der Kl. die Begleichung dieser USt-Schuld als „Neumasseschuld” abgelehnt hatte, pfändete der Beklagte (Bekl.) wegen der rückständigen USt und Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 71.507,10 DM mit Verfügung vom 17.02.1999 die Ansprüche aus einem Konkursanderkonto bei der Volksbank H..
Dagegen legte der Kl. Einspruch ein, der ohne Erfolg blieb. In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 16.08.2000 führte der Bekl. im wesentlichen aus, daß nach seiner Ansicht sog. Neumasseschulden vorab zu befriedigen seien, so daß auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerechtfertigt seien.
Mit der am 14.09.2000 erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus: Nach § 251 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) seien für die Geltendmachung von Steuerforderungen gegen die Konkursmasse die Vorschriften der Konkursordnung (KO) maßgeblich. Die USt-Forderung des Bekl. gehöre zu den Massekosten gemäß § 58 Nr. 2 KO, weil sie aus der Lieferung von sicherungsübereignetem Vermögen durch den Konkursverwalter entstanden sei, so daß die Forderung nur nach Maßgabe der §§ 57 ff. KO geltend gemacht werden könne. Sobald sich herausstelle, daß die Konkursmasse nicht zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger ausreiche, sei eine Vollstreckung einzelner Massegläubiger gegen die Konkursmasse nicht zulässig. Es liege auch keine außerhalb der Rangfolge des § 60 KO zu befriedigende Neumasseschuld vor. Neumasseansprüche setzten Rechtsgeschäfte voraus, aus denen der Konkursmasse nach festgestellter Massearmut Sach- oder Dienstleistungen zuflössen. Da es sich um die Verwertung sicherungsübereigneten Anlagevermögens handele, seien die der Verwertung zu Grunde liegenden Verpflichtungsgeschäfte vor Eintritt der Masseunzulänglichkeit abgeschlossen worden.
Der Kl. beantragt,
die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Bekl. vom 17.02.1999 in Gestalt der EE vom 16.08.2000 aufzuheben.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bestreitet weiterhin, daß es sich um die Verwertung von Sicherungsgut gehandelt habe. Er ist der Ansicht, daß sich aus der Rechtsprechung des BGH ergebe, daß Neumasseschulden vorab zu befriedigen seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Die Einzelzwangsvollstreckung in das Konkursanderkonto war nicht zulässig; die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Bekl. verletzt den Kl. daher in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Unzulässigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung folgt aus § 251 Abs. 2 AO i.V.m. § 60 KO, (vgl. zur Anwendbarkeit der Vorschriften auf den Streitfall Art. 97 § 11 a Satz 2 des Einführungsgesetzes zur AO und Art. 103 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung).
Nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO bleiben im Rahmen der abgabenrechtlichen Vollstreckung die Vorschriften der Konkursordnung unberührt.
Nach § 60 KO sind Massekosten und Masseschulden, sobald sich herausstellt, daß die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht (Masseunzulänglichkeit), nach der in § 60 KO vorgeschriebenen Rangfolge, jeweils im Verhältnis ihrer Beträge, zu erfüllen. Daraus folgt, daß eine Vollstreckung einzelner Massegläubiger in Gegenstände der Konkursmasse nicht zulässig ist (BFH Urteil vom 23. Juli 1996 VII R 88/94 BFHE 181, 202, BStBl II 1996, 511).
Somit war für die Pfändung durch den Bekl. kein Raum.
Die USt-Forderung des Bekl., wegen der dieser in das Konkursanderkonto vollstreckt hat, gehört zu den Massekosten nach § 58 Nr. 2 KO, weil sie aus der Lieferung vo...