Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalertragsteuer als Nachlassverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
Bei Erwerb eines gegen eine GmbH gerichteten Ausschüttungsanspruchs ist für Zwecke der Erbschaftsteuer die darauf entfallene Kapitalertragsteuer keine Nachlassverbindlichkeit.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen sind.
Der am 29.05.2020 verstorbene Vaters des Klägers, Herr F., war zu 12,50 v. H. an der S. GmbH ([…], im Folgenden auch: „GmbH”) beteiligt. Auf Grundlage des notariellen Testaments vom 00.00.2015 erwarb der Kläger diese Anteile von Todes wegen als Vermächtnis (vgl. Urkundenrolle Nummer […] des Notars V. in G.).
Die Gesellschafterversammlung der GmbH hatte am 00.00.2020 eine Ausschüttung beschlossen, auszuzahlen am 00.00.2020. Diese entfiel im Umfang von 187.500 EUR auf den Vater. Sie wurde am Fälligkeitstag, nach dem Tod des Vaters, unter Einbehalt von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag, d. h. abzüglich von 48.346,92 EUR, ausgezahlt.
Im Erbschaftsteuerbescheid vom 09.11.2021, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, berücksichtigte der Beklagte den Ausschüttungsanspruch gegenüber der GmbH, abweichend von dem in der Erbschaftsteuererklärung auf 139.135 EUR bezifferten Wert, mit dem Nennwert von 187.500 EUR. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag brachte er auch nicht als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28.10.2022 zurück. Der Bescheid erging weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Beklagte legte in den Gründen dar, dass die Ausschüttungsforderung mit ihrem Nennwert zu berücksichtigen sei. Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag minderten nach der BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 17.02.2010 II R 23/09) und H E 10.7. ErbStH 2020 („latente Einkommensteuerlast”) nicht den Wert der Forderung. Es handele sich dabei wirtschaftlich nur um eine bei Zufluss des Geldbetrags in einem besonderen Verfahren erhobene Einkommensteuervorauszahlung des Steuerpflichtigen. Ein Abzug als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sei ebenso wenig vorzunehmen. Steuerschulden seien nur dann als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, wenn es sich um vom Erblasser herrührende persönliche Steuerschulden handele, die auf den Erben übergegangen seien. Der Erblasser müsse in eigener Person einen steuerrelevanten Tatbestand verwirklicht haben. Im Streitfall habe der Zufluss der Einnahmen erst nach dem erbschaftsteuerrechtlich maßgebenden Stichtag stattgefunden. Der Steuertatbestand sei erst mit dem Zufluss der ausgeschütteten Gelder durch den Kläger als Steuerpflichtigen verwirklicht worden.
Mit seiner am 30.11.2022 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger macht geltend, die Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag minderten den Wert der Ausschüttungsforderung. Zumindest seien sie als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen. Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehörten auch solche Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet habe. Sie müssten rechtlich noch nicht entstanden sein. Erblasserschulden im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB seien auch erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung notwendigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre (vgl. BGH-Urteil vom 07.06.1991 V ZR 214/89, NJW 1991, 2558). Anders als beim Zufluss nachträglicher Einnahmen aus einer ehemaligen Tätigkeit des Erblassers, für die Einkommensteuerzahlungen des Erben nicht in Abzug zu bringen seien, sei die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Todes zwar noch nicht formalrechtlich entstanden gewesen, aber ihre Entstehung sei quasi sicher und zudem hinreichend konkretisiert gewesen (Riedel, FR 2016, 310).
Gegenstand der Besteuerung mit Erbschaftsteuer sei die beim Erwerber anfallende Bereicherung. Hierbei handele es sich um den nach Abzug der Steuern verbleibenden Erwerb. Dies gelte umso mehr, als sich der Erbe der Steuerschuld nicht entziehen könne, wie vorliegend der Kläger in Bezug auf die Belastung mit Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag. Im Ergebnis könne nicht derselbe Sachverhalt der Ertragsteuer und der Erbschaftsteuer unterworfen sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über Erbschaftsteuer vom 09.11.2021 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28.10.2022 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 0 EUR herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.
Der Senat hat am 02.11.2023 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidu...