Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung von Aussetzungszinsen
Leitsatz (redaktionell)
Zwei Forderungen stehen sich gem. § 387 BGB in dem Zeitpunkt zur Aufrechnung geeignet gegenüber, in dem die Hauptforderung (gegen die der Steuerschuldner aufrechnet) erfüllbar und die eigene Gegenforderung fällig ist. Die Fälligkeit eines Steuererstattungsanspruchs ist wiederum abhängig von dessen Festsetzung. Im Streitfall haben die formlosen Anmeldungen von Umsätzen durch den Stpfl. noch nicht zu einem fälligen Erstattungsanspruch gegenüber dem beklagten FA geführt. Damit der Erstattungsanspruch fällig und damit aufrechenbar werden konnte, musste er nach § 18 UStG gegenüber dem FA angemeldet werden und dieses musste der Anmeldung nach § 168 Satz 2 AO zustimmen.
Normenkette
UStG § 18; BGB § 387; AO § 237 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob der Beklagte den Zinslauf festgesetzter Aussetzungszinsen richtig berechnet hat, und ob die Aussetzungszinsen aus Gründen der Billigkeit zu erlassen sind.
Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit […]. Sie tätigte in den Jahren 2009 bis 2011 zahlreiche grenzüberschreitende Umsätze.
Anfang 2011 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuernachschau durch. Im Rahmen der Umsatzsteuernachschau wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass sie sich in den Niederlanden umsatzsteuerlich registrieren lassen müsse. Die von der Klägerin bislang in Deutschland gemeldeten innergemeinschaftlichen Erwerbe und steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen würden überwiegend in den Niederlanden enden bzw. beginnen. Diese innergemeinschaftlichen Erwerbe und Lieferungen seien somit in den Niederlanden anzumelden und zu versteuern. Der Beklagte erließ aufgrund der Umsatzsteuernachschau keine Änderungsbescheide, forderte die Klägerin aber auf, die innergemeinschaftlichen Umsätze korrekt zu erklären.
Beginnend am 4.1.2012 prüfte der Beklagte die Klägerin zunächst erneut im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau, die am 6.1.2012 in eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Besteuerungszeiträume 2009, 2010 und Januar bis November 2011 übergeleitet wurde. Die Schlussbesprechung fand am 29.2.2012 statt. Der Beklagte stellte fest, dass die Klägerin weiterhin über keine niederländische Umsatzsteueridentifikationsnummer verfüge und die Rechnungserteilung und Meldung der Umsätze fortgesetzt unzutreffend erfolgt sei. Diverse innergemeinschaftliche Erwerbe seien unter Verwendung einer deutschen Umsatzsteueridentifikationsnummer abgerechnet und gemeldet worden, obwohl diese jeweils im Bestimmungsland (in der Regel in den Niederlanden beim Betriebssitz der Schwestergesellschaft) gemäß § 3d Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu versteuern seien. Die Klägerin hätte unter der Umsatzsteueridentifikationsnummer des Bestimmungslandes auftreten und die innergemeinschaftlichen Erwerbe dort auch umsatzsteuerlich melden müssen. Die Klägerin habe aufgrund dieses Sachverhaltes gemäß § 3d Satz 2 UStG im Inland umsatzsteuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe ausgeführt, bis nachgewiesen sei, dass der Erwerb durch den in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden sei. Unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteile vom 1.9.2010 V R 39/08, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 231, 308, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2011, 658 und vom 8.9.2010 XI R 40/08, BFHE 231, 343, BStBl. II 2011, 661) sei der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG für diese innergemeinschaftlichen Erwerbe zu versagen.
Der Beklagte änderte, entsprechend den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung, mit Bescheiden vom 16.4.2012 und 19.4.2012 die Umsatzsteuerfestsetzungen der Klägerin und setzte die Umsatzsteuer 2009 um xxx € auf xxx €, die Umsatzsteuer für 2010 um xxx € auf xxx € und die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat November 2011 um xxx € auf xxx € höher fest. Hiergegen legte die Klägerin Einsprüche ein. Sie beantragte außerdem die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide in vollem Umfang, die der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 29.5.2012 ablehnte. Mit Schriftsatz vom 13.7.2012 beantragte die Klägerin erneut die Aussetzung der Vollziehung. Nach gemeinsamer Erörterung mit dem Beklagten am 17.7.2012 setzte dieser mit Verfügung vom 19.7.2012 die Umsatzsteuer 2009 i. H. von xxx €, die Zinsen zur Umsatzsteuer 2009 i. H. von xxx €, die Umsatzsteuer 2010 i. H. von xxx €, jeweils fällig am 21.5.2012, und die Umsatzsteuer 2011 i. H. von xxx €, fällig am 30.4.2012, von der Vollziehung ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Einsprüche aus. Die Verfügung enthält den Hinweis, dass die Beträge, für die die Aussetzung der Vollziehung gewährt werde, zu verzinsen seien, soweit der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren endgültig keinen Erfolg habe.
Mit Bescheid vom 28.1.2013 wurde die Umsatzsteuer für 2011 auf xxx € festgesetzt. Ausweislich des Bescheids bleibe die Aussetzung der Vollziehung ...