Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldberechtigung einer in Deutschland lebenden verheirateten Rumänin
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine rumänische Staatsangehörige, die mit ihrem nach rumänischem Recht verheirateten Ehemann in Deutschland wohnt, wo dieser sich auch als Arbeitnehmer aufhält, hat für ihre Kinder nach Ablauf von drei Monaten seit Begründung des Wohnsitzes im Inland Anspruch auf Kindergeld.
2. Der dem Zivilrecht entlehnte Begriff „Ehegatte” im Freizügigkeitsgesetz/EU ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen einschließlich der Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts zu beurteilen.
3. Die Familienkasse und auch das Finanzgericht haben in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob eine Kindergeld beanspruchende Person als Unionsbürger oder dessen Familienangehöriger anzusehen ist. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob eine Ehe wirksam geschlossen ist.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1a Sätze 3-4; Freizügigkeitsgesetz/EU § 1 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a, § 2 Abs. 1, 2 Nrn. 1, 6, §§ 3-4; EGBGB Art. 13 Abs. 1; EStG § 62 Abs. 1a S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Festsetzung und Auszahlung von Kindergeld für ihre beiden leiblichen Töchter H, geboren am xx.xx.2009 (H), und J, geboren am xx.xx.2011 (J), für den Zeitraum von September 2020 bis August 2021 (Streitzeitraum) hat.
Die Klägerin ist rumänische Staatsangehörige und lebt ausweislich der Vermieterbescheinigung vom 31.08.2021 gemeinsam mit H, J und Herrn T in U. T ist rumänischer Staatsangehöriger, nichtleiblicher Vater von H und J sowie ausweislich der Heiratsurkunde vom xx.xx.2019 in rumänischer und englischer Sprache seit dem xx.xx.2019 mit der Klägerin verheiratet. Ausweislich der amtlichen Meldebestätigung für die Anmeldung vom 05.11.2019 ist die Klägerin gemeinsam mit H und J seit dem 01.11.2019 in U gemeldet. Ausweislich der Meldebestätigung vom 09.08.2019 ist T seit dem 01.08.2019 in U gemeldet.
T übte von Dezember 2019 bis 04.05.2021 eine Tätigkeit als Hilfskraft bei der B GmbH in F und sodann bei der C GmbH in U aus.
Im Dezember 2019 beantragte T bei der Beklagten Kindergeld für H und J. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.02.2020 für den Monat November 2019 ab und setzte mit Bescheid vom 06.03.2020 ab Dezember 2019 Kindergeld fest. Im August 2020 teilte das Jobcenter Kreis … der Beklagten mit, dass die Heiratsurkunde für die Ehe zwischen der Klägerin und T nicht gültig sei, da T mit Frau L verheiratet sei und keine Unterlagen vorgelegt worden seien, dass diese Ehe geschieden worden sei. Daraufhin hob die Beklagte gegenüber T die Kindergeldfestsetzung ab September 2020 auf. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies sie mit Einspruchsentscheidung vom 02.12.2020 als unbegründet zurück. Das hiergegen geführte finanzgerichtliche Klageverfahren 2 L 3570/20 wurde im Oktober 2021 durch übereinstimmende Erledigungserklärungen, ohne Änderung der vorstehenden Bescheidlage, beendet. Mit Bescheid vom 04.12.2020 hob die Beklagte gegenüber T die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum von Dezember 2019 bis August 2020 auf; gegen diesen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt.
Im Oktober 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Kindergeld für H und J.
Mit Bescheid vom 12.03.2021 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Festsetzung von Kindergeld für H und J ab September 2020 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, nach § 64 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) werde für jedes Kind nur einer Person Kindergeld gezahlt. Die Kinder lebten im gemeinsamen Haushalt der Klägerin und T; die Klägerin habe T zum Kindergeldberechtigten bestimmt.
Hiergegen legte die Klägerin am 08.04.2021 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, T sei nicht leiblicher Vater von H und J. Sie nehme die Bestimmung des T zum Kindergeldberechtigten zurück.
In einem familiengerichtlichen Verfahren, dessen Beteiligter u.a. T war, stellte das Amtsgericht …, Familiengericht, mit Beschluss vom 08.06.2021, 325 F 55/20, fest, dass das leibliche Kind der L, K, nicht von T abstammt. In einem weiteren familiengerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht …, 325 F 56/20, beantragte T festzustellen, dass er nicht mit der leiblichen Mutter von K, L, wirksam die Ehe geschlossen hat.
Mit Einspruchsentscheidung vom 09.08.2021 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es könne nicht festgestellt werden, ob eine Anspruchsberechtigung nach § 62 EStG bestehe. Die Klägerin habe nicht die angeforderten Unterlagen eingereicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.09.2021 Klage erhoben.
Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf Kindergeld für H und J. Sie sei wirksam mit T verheiratet.
Mit Beschluss vom 09.09.2021 ist das Verfahren nach teilweise Klagerücknahme eingestellt worden, soweit Kindergeld ab September 2021 begehrt worden ist.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.03.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidun...