rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerabzug und -haftung des Arbeitsgebers für Trinkgelder
Leitsatz (redaktionell)
Freiwillig gezahlte Trinkgelder unterliegen nur insoweit dem Lohnsteuerabzug des Arbeitgebers, als dieser Kenntnis über die Höhe der Trinkgelder hat. Ist der Arbeitgeber nicht in den Zahlungsvorgang eingeschaltet oder erhält er keine Informationen über die Höhe des von seinem Arbeitnehmer vereinnahmten Trinkgeldes, scheidet sowohl eine Abzugsverpflichtung wie auch eine Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers aus.
Normenkette
EStG §§ 38a, 39b, 41a, 42d, 38 Abs. 1
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob die Klägerin (Klin.) für an Reinigungspersonal freiwillig gezahlte Benutzerentgelte (Trinkgelder) Lohnsteuer hätte einbehalten müssen und ob die Klin. wegen der Nichteinbehaltung und Nichtabführung von Lohnsteuer aus diesem Sachverhalt zu Recht als Haftende in Anspruch genommen worden ist.
Die Klin. betreibt als Einzelunternehmerin eine Firma für Hygiene-Service, die die Reinigung für Toilettenanlagen in verschiedenen Autobahn-Raststätten und Kaufhäusern vornimmt. Die Klin hatte in dem Haftungszeitraum Verträge mit bis zu jeweils 19 Kaufhäusern und Autobahn-Raststätten.
In den Vereinbarungen mit ihren Auftraggebern verpflichtete sich die Klin. für die Reinigung von Toilettenanlagen Sorge zu tragen. Die Verträge mit den Kaufhäusern einerseits und den Raststätten andererseits sind nach den eingereichten Vertragsunterlagen teilweise unterschiedlich gestaltet. Mit den Kaufhäusern bestehen Pachtverträge. In der Regel sind von der Klin. Pachten zwischen 50 und 100 DM monatlich zuzüglich Umsatzsteuer (USt) zu zahlen. Die Reinigungsleistungen werden gesondert nach bestimmten Pauschalen zuzüglich USt abgerechnet. Dabei werden die Pachtbeträge deutlich überschritten. Mit den Raststätten und einem Kaufhaus (Fa. K ) bestehen reine Serviceverträge. Eine Pacht ist nicht zu zahlen. Die Klin. erhält für die Reinigung eine Monatspauschale, die zwischen 500 und 1.300 DM (in der Regel aber 1.000 DM) beträgt, jeweils zuzüglich USt. Allen Vereinbarungen ist gemeinsam, dass der Klin. untersagt ist, für die Benutzung der Toiletten ein Entgelt zu fordern. In einem Vertrag (Fa. K ) ist ausdrücklich aufgeführt, dass Preisaushänge jeglicher Art zu unterlassen sind. Die Verträge erlauben aber, dass freiwillige Benutzerentgelte (Trinkgelder) entweder von der Klin. oder ihren Mitarbeitern vereinnahmt werden.
In allen vertraglichen Vereinbarungen gehen die Vertragspartner davon aus, dass die Klin. für die ordnungsgemäße Reinigung zuständig ist. In der Regel ist aufgeführt, dass die Reinigungspersonen als Mitarbeiter bzw. als Mitarbeiterinnen der Klin. erkennbar sein müssen (einheitliche Kleidung und teilweise auch Firmenlogo). Eine Verantwortlichkeit der Klin. für die Zahlung von Steuern und Sozialabgaben, die für das Reinigungspersonal anfallen, ist in den meisten Verträgen ausdrücklich aufgenommen. In einem Vertrag mit der Fa. L ist die Klin. allerdings auch berechtigt, freie Gewerbetreibende als Fach-Reinigungskräfte einzusetzen. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Gewerbeerlaubnisse vorzulegen.
Für den hier streitigen Zeitraum (1995 bis Dezember 1999) wurden von der Klin. auf diese Weise die Toilettenanlagen von bis zu 19 Raststätten und bis zu 19 Kaufhäusern betreut.
Die Klin. hat für das von ihr eingesetzte Reinigungspersonal teilweise eine Pauschalversteuerung nach § 40 a Abs. 2 EStG durchgeführt. Auch für den Ehemann der Klin., R, der wie auch die Klin., zumindest in den früheren Prüfungsjahren die einzelnen Reinigungsobjekte regelmäßig abgefahren ist, wurde eine Pauschalversteuerung durchgeführt (Tz 3 des Berichts der Lohnsteueraußenprüfung vom 24.07.2000). Die Zahl der Arbeitnehmer, für die eine Pauschalversteuerung durchgeführt wurde, ist den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen und Angaben zum Sachverhalt nicht genau zu entnehmen. Nach den in der Lohnsteuerakte vorhandenen Lohnsteuerüberwachungsbögen für die Zeit von Januar 1996 bis März 1999 und einem Lohnsteuerkontoauszug mit Stand vom 27.01.2000 sind folgende Lohnsteuerbeträge angemeldet und gezahlt worden: 14.904,60 DM für 1995, 22.264 DM für 1996, 6.788 DM für 1997, 2.168 DM für 1998 und 444 DM für die Zeit von Januar bis März 1999. Hinzukommen die Beträge zur Kirchenlohnsteuer und zum Solidaritätszuschlag.
Der Sozialversicherungsträger hatte im Jahre 1996 unter Einschaltung der Staatsanwaltschaft Durchsuchungen wegen Verdachts des (sozialversicherungsrechtlichen) Leistungsmissbrauches durchgeführt. Für die Zeit von Februar 1994 bis Mai 1996 sind ca. 425.000 DM Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert worden. Der Rechtsstreit beim Sozialgericht wegen dieser Forderung ist noch nicht abgeschlossen. Das Strafverfahren wurde gegen eine im Verhältnis zur Nachforderung geringfügige Geldbuße von 15.000 DM eingestellt (§ 153 a StPO). Für die Zeit von Juli 1994 bis Ende 1995 beträgt die Zahl der zur Sozialversicherung gemeldeten Arbeitnehmern nach den Feststel...