Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht der mittelbaren Anteilsvereinigung verstößt nicht gegen RL 69/335/EWG v. 17.7.1969
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Grunderwerbsteuerpflicht wegen mittelbarer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verstößt schon deshalb nicht gegen die RL 69/335/EWG v. 17.7.1969, weil die Anteilsübertragung kein Vorgang im Sinne von Art. 4 RL 69/335/EWG ist. Es handelt sich weder um eine Gründung, noch um eine Umwandlung, eine Einlage oder ein Darlehen.
2) Die Grunderwerbsteuerpflicht ist vielmehr ebenso wie die Umsatzsteuer als eine spezielle Rechtsverkehrssteuer von Art. 12 Abs. 1 f der RL 69/335/EWG zugelassen.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 4 Nrn. 2, 2b, § 6 Abs. 3; EWGRL 335/69 Art. 4, 12 Abs. 1 f, 1 b; GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob die Besteuerung eines Grunderwerbes nach § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) (Grundstücksübertragung durch Anteilsvereinigung) gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 17. Juli 1969 verstößt bzw. ob – ersatzweise – für einen derartigen Grunderwerb im Streitfall die Nichterhebungsregelung des § 6 Abs. 3 GrEStG eingreift.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (Klin.) war eine Kommanditgesellschaft (GmbH & Co.), an der die Herren T1 und T2 als Kommanditisten zu je 45 % und außerdem die Fa. J GmbH mit 10 % des Kommanditkapitals beteiligt waren. Weitere Beteiligte ohne Kapitaleinlage war die T3 GmbH.
Mit notariellem Vertrag vom 17.12.1997 (UR-Nr.: 424/1997 Notar H, I) erwarb die Klin. sämtliche Anteile an der „M GmbH” (M GmbH). Als Kaufpreis wurde für alle Geschäftsanteile ein Betrag in Höhe von DM vereinbart, die jedem der Verkäufer zur Hälfte zustanden (§ 3 des notariellen Kaufvertrages). Die M GmbH verfügte über ein Stammkapital in Höhe von DM. Alleinige Gesellschafter der M GmbH waren die Herren T1 und T2 mit einem Anteil am Stammkapital von jeweils 50 %. Die Herren T1 und T2 hatten ihren Töchtern jeweils Unterbeteiligungen an ihrem Stammkapital an der M GmbH in Form atypischer Beteiligungen zu jeweils insgesamt 50 v. H. ihres Kapitalanteils eingeräumt.
Die M GmbH war wiederum alleinige Gesellschafterin der T4 GmbH (T4 GmbH) sowie alleinige Kommanditistin der M Werke T GmbH & Co. KG (M T KG) mit einem Kapitalanteil von 95,2381 %. Den restlichen Kapitalanteil der M T KG in Höhe von 4,7619 % hielt als persönlich haftende Gesellschafterin die T4 GmbH.
Die M T KG war und ist Eigentümerin von Grundbesitz, der im späteren Verfahren zur Feststellung von Grundstückswerten nach § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. § 138 Bewertungsgesetz mit Gesamtwerten in Höhe von DM bewertet worden ist.
Der Beklagte (Bekl.) sah in der Übertragung der Stammkapitalanteile der Herren T1 und T2 an der M GmbH auf die Rechtsvorgängerin der Klin., die T GmbH & Co. KG, eine grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG, da die Rechtsvorgängerin der Klin. über die bereits genannten beiden weiteren Gesellschaften „T4 GmbH” und „M T KG” die Grundstücke der letztgenannten Gesellschaft zugeordnet bekam. Der Bekl. setzte daher mit Bescheid vom 03.09.1999 Grunderwerbsteuern fest. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens wurde die Grunderwerbsteuerfestsetzung mehrfach geändert, zuletzt in Folge der gesonderten Festsetzungen der Grundbesitzwerte der „M T KG” aufgrund der Regelung des § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. § 138 Bewertungsgesetz. Unter Berücksichtigung dieser Werte erging am 11.02.2000 ein geänderter Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem die Grunderwerbsteuer auf 1.582.280 DM festgesetzt wurde – Bemessungsgrundlage 45.208.000 DM. Dieser Bescheid wurde Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Der Einspruch hatte keinen Erfolg und wurde mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 15.09.2003 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt die Klin. als Rechtsnachfolgerin der T GmbH & Co. das Begehren weiter, die Grunderwerbsteuerfestsetzung ersatzlos aufzuheben. Hilfsweise wird eine Nichterhebung der Grunderwerbsteuer in Höhe von 90 % gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG begehrt. Die Klin. trägt im Wesentlichen vor, die Grunderwerbsteuerfestsetzung sei rechtswidrig. Die Richtlinie 69/335/EWG aus dem Jahre 1969 verfolge das Ziel, eine Harmonisierung von indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital zu erreichen, um Diskriminierungen, Doppelbelastungen und Unterschiedlichkeiten zu beseitigen, die den freien Kapitalverkehr behinderten. Artikel 10 dieser Richtlinie schreibe vor, dass die Mitgliedsstaaten und damit auch die Bundesrepublik Deutschland, abgesehen von der in Deutschland bereits abgeschafften Gesellschaftsteuer, keinerlei andere Steuern oder Abgaben von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen erheben dürften, soweit es sich um Vorgänge nach Artikel 4 dieser Richtlinie handele. Dieser Artikel behandele u. a. die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art. Da nach Artikel 3 Abs. 1 c der Richtlinie eine Kommanditges...