Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung eines Verspätungszuschlags; Ermessenausübung, Ermessensfehler durch Ermessensnichtgebrauch
Leitsatz (redaktionell)
Ist eine der Voraussetzungen des § 152 Abs. 3 AO erfüllt, steht die Festsetzung des Verspätungszuschlags im Ermessen des FA gem. § 152 Abs. 1 AO. Im Streitfall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO gegeben, da die Abgabe der Umsatzsteuererklärung erst nach Ablauf der beantragten und vom FA verlängerten Frist erfolgt ist. Es liegt ein Ermessensfehler in Form der Ermessensunterschreitung/des Ermessensnichtgebrauchs vor. Das FA ist irrig davon ausgegangen, dass es gem. § 152 Abs. 2 AO zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags verpflichtet gewesen ist.
Normenkette
AO § 152 Abs. 1-2, 3 Nr. 1, § 149 Abs. 3 Nr. 4; UStG § 18 Abs. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2018.
Der Kläger ist selbständig tätiger Arzt und wurde im Streitjahr 2018 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte zudem umsatzsteuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage.
Mit Bescheid vom 27.01.2021 erließ der Beklagte einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2018 betreffend den Kläger, in dem er die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe einer Umsatzsteuererklärung 2018 auf 3.500 € schätzte. Zugleich setzte er einen Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2018 in Höhe von 200 € fest.
Hiergegen legte der Kläger am 26.02.2021 Einspruch ein, den er jedoch nicht begründete.
Mit zwei separaten Einspruchsentscheidungen vom 07.05.2021, beim Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangen am 14.05.2021, wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers hinsichtlich der Umsatzsteuer 2018 und des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2018 als unbegründet zurück.
Gegen beide vorgenannten Einspruchsentscheidungen, sowie gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ebenfalls vom 07.05.2021, erhob der Kläger am 14.06.2021 zusammen mit seiner Ehefrau, vertreten durch seinen Steuerberater als Prozessbevollmächtigten, Klage.
Mit Beschluss vom 27.10.2021 hat der Senat das Verfahren wegen Einkommensteuer 2018 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt. Unter dem Aktenzeichen 9 K 2688/21 E hat der Berichterstatter am 28.10.2021 mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid die Klage der Eheleute abgewiesen.
Mit Beschluss vom 26.11.2021 hat der Senat den verbleibenden Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Im Laufe des Klageverfahrens reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung 2018 sowie eine Anlage EÜR beim Beklagten ein. Der Beklagte folgte den Angaben in der Erklärung und setzte die Umsatzsteuer nunmehr im nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid 2018 vom 24.11.2021 in Höhe von 505,40 € fest. Den Verspätungszuschlag setzte der Beklagte im Bescheid vom 24.11.2021 unverändert in Höhe von 200 € fest.
Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 2018 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Einzelrichter hat das Verfahren wegen Umsatzsteuer 2018 daraufhin mit Beschluss vom 03.12.2018 abgetrennt (Az: 9 K 2985/21 U) und durch Beschluss vom 08.01.2022 über die Kosten entschieden.
Mit Schreiben vom 14.01.2022 hat der Einzelrichter den Beteiligten mitgeteilt, dass er beabsichtige, über die verbleibende Frage der Rechtmäßigkeit des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2018 durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, da der Streitwert unter 500 € betrage (Verfahren nach billigem Ermessen, § 94a FGO). Zugleich hat er den Beteiligten abschließend Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.02.2022 gegeben.
Mit Schreiben vom 21.01.2022 hat der Einzelrichter den Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass die Klage der Ehefrau des Klägers wegen des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2018 unzulässig sein dürfte, weil die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid über den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2018 nicht beschwert sei. Denn Inhaltsadressat des Bescheides sei allein der Kläger. Der Einzelrichter hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.02.2022 gegeben und erneut mitgeteilt, dass er nach Ablauf dieser Frist insgesamt nach § 94a FGO über das Verfahren entscheiden werde.
Mit Beschluss vom 27.01.2022 hat der Einzelrichter das Verfahren der Ehefrau des Klägers wegen Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2018 abgetrennt (neues Aktenzeichen: 9 K 209/22 U).
Der Kläger ist der Auffassung, der Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2018 sei zu hoch festgesetzt. Es sei allenfalls ein Verspätungszuschlag in Höhe von 25 € gerechtfertigt. Die umsatzsteuerpflichtigen Erträge aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage hätten nur 2.789 € und die Steuerschuld nur 505,40 € betragen. Zudem sei der Klägervertreter am 26.09.2021 wegen eines Insulinschocks in das Klinikum N-Stadt eingeliefert und dann stationär in die Diabetesklinik C...