Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhere Besteuerung von Dieselfahrzeugen geringeren Hubraums gegenüber Benzinfahrzeugen oder Dieselfahrzeugen größeren Hubraums gerechtfertigt
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Kraftfahrzeugsteuererhöhung ab 1.7.1997 um 20 DM je angefangene 100ccm Hubraum durch § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e, Doppelbuchstabe aa KraftStG für Dieselfahrzeuge ist nicht verfassungswidrig; sie hält sich in dem für den Gesetzgeber gesteckten Rahmen des Willkürverbots und schafft "Typengerechtigkeit".
2) Die Kraftfahrzeugsteuererhöhung wird auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber versehentlich eine Senkung des Kraftfahrzeugsteuersatzes für Dieselfahrzeuge mit größerem Hubraum in § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c Doppelbuchstabe aa festgeschrieben hat. Denn es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
3) Offen bleibt, ob § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG verfassungswidrig ist, weil er für den Steuerbürger nicht verständlich ist.
Normenkette
KraftStG § 9 Abs. 1, 1 Nrn. 2, 2 e, Abs. 1 Nr. 2 e, aa, Nr. 2 c, aa
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob § 9 Abs. 1 Nr. 2, Buchst. e, Doppelbuchstabe aa KraftStG in der Fassung des Gesetzes zur stärkeren Berücksichtigung der Schadstoffemissionen bei der Besteuerung von Personenkraftwagen (KraftStÄndG 1997) wegen Verstoßes gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig ist.
Die Klägerin ist Halterin eines Pkw-Kombi (VW-Bulli), amtliches Kennzeichen, Antriebsart Diesel, Hubraum 1.570 ccm, Erstzulassung 31.07.1989, schadstoffarm seit Erstzulassung. In den Fahrzeugpapieren ist die Schadstoffstufe schadstoffarm E und die Schlüsselnummer 03 eingetragen.
Vor dem 01.07.1997, d. h. vor der Änderung der Steuersätze durch das KraftStÄndG 1997, betrug die jährliche Steuer von einem Steuersatz von 37,10 DM je angefangene 100 ccm Hubraum ausgehend 593 DM.
Mit Bescheid vom 12.01.1998 setzte die Finanzverwaltung die Steuer wie folgt fest:
für die Zeit vom 21.02.1997 bis 30.06.1997 auf |
211,00 DM |
für die Zeit vom 01.07.1997 bis 20.02.1998 auf |
587,00 DM |
für die Zeit ab 21.02.1998 auf jährlich |
913,00 DM. |
Hierbei ging die Verwaltung für die Zeit bis zum 30.06.1997 von einem Steuersatz von 37,10 DM und für die Zeit ab 01.07.1997 von einem Steuersatz von 57,10 DM je angefangene 100 ccm Hubraum aus.
Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Besteuerung in der Schadstoffstufe E verstoße gegen Art. 3 GG. Der Gesetzgeber habe eine Unterteilung vorgenommen, nach der Fahrzeuge über 2.000 ccm Hubraum günstiger besteuert würden als Fahrzeuge mit einem kleineren Hubraum. Dies sei willkürlich. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 07.05.1998 Bezug genommen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 18.11.1998 im wesentlichen aus, die Steuerfestsetzung entspreche § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa KraftStG in der Fassung des KraftStÄndG 1997. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor, da der Gesetzgeber mit der Anknüpfung der Besteuerung an Gesichtspunkte des Umweltschutzes sachgerechten Erwägungen gefolgt sei. Die Entscheidung des Gesetzgebers halte sich im Rahmen seiner Befugnis, der Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zugrundezulegen und sich mit einer Typengerechtigkeit zu begnügen.
Nunmehr macht die Klägerin die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelung vor Gericht geltend. Zur Begründung trägt sie vor, gerade unter Umweltgesichtspunkten sei nicht nachzuvollziehen, warum innerhalb derselben Schadstoffsteuerklasse E eine Differenzierung zwischen Fahrzeugen bis 2.000 ccm und über 2.000 ccm mit der Konsequenz erfolge, daß die Fahrzeuge mit dem höheren Hubraum niedriger besteuert würden. Da größere Motoren mehr Schadstoffe emittieren dürften als kleine
– hierüber sei Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben –
erscheine die Regelung willkürlich.
Daß die Unterscheidung willkürlich sei, ergebe sich auch aus den vom Gericht eingeholten Stellungnahmen der Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, der Finanzen und für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (s. unten).
Eine Anfrage bei der Volkswagen AG habe ergeben, daß weder eine Umschlüsselung des Fahrzeugs noch eine technische Veränderung möglich sei. Die Klägerin hat eine Bescheinigung der Volkswagen AG vorgelegt, nach der die Schadstoffeinstufung korrekt und eine Umrüstung mit Originalersatzteilen nicht möglich ist.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 11.12.1998, 10.03.1999, 09.06.1999, 22.03.2000 und 13.04.2000 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
- das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorzulegen, ob die Regelungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c und e KraftStG verfassungswidrig sind,
- den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 12.01.1998 und die Einspruchsentscheidung vom 18.11.1998 dahingehend zu ändern, daß auch für die Zeit ab 01.07.1997 ein Steuersatz von 37...