Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellungen - Rechtlich entstandene Verpflichtungen müssen nicht vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sein
Leitsatz (redaktionell)
Bei rechtlich vor dem Bilanzstichtag entstandenen Verpflichtungen ist für die Bildung einer Rückstellung die wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag nicht erforderlich (Anschluss an BFH v. 27.6.2001 - I R 45/97, BStBl. II 2003, 121; gegen BFH v. 19.8.2002 - VIII R 30/01, BStBl. II 2003, 131 und BMF v. 21.1.2003, BStBl. I 2003, 125).
Normenkette
HGB § 249 Abs. 1 S. 1, § 252 Abs. 1; EStG § 5 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin eine Rückstellung für eine neue Rauchgasentstaubungsanlage einer Feuerungsanlage für Holzreste zur Anpassung an die Grenzwerte der Technischen Anleitung Luft (TA Luft) bilden durfte und ob der Bau der neuen Rauchgasentstaubungsanlage zu Anschaffungskosten/Herstellungskosten führen würde.
Die Klägerin betreibt ein G-werk. In ihrer Produktionsstätte unterhält die Klägerin zwei Feuerungsanlagen. Die Anlage mit der Hersteller-Nummer … kann als Brennstoff mit Holzresten und mit Heizöl betrieben werden.
Zu dieser Feuerungsanlage stellte das Staatliche Amt für Umwelt und Arbeitsschutz OWL mit Verfügung vom 01.07.2005 fest, dass beim Betrieb mit Holzbrennstoffen die Feuerungsanlage die Abgasparameter der TA Luft 2002 zum Luftschadstoff „Holzstaub” überschritt. Die Grenzwerte waren insoweit seit dem 01.10.2002 durch die TA Luft neu festgelegt worden. Entsprechend Nr. 5.4.1.2.1 der TA Luft, die eine Anpassung der Altanlagen an die neuen Grenzwerte spätestens acht Jahre nach Inkrafttreten der geänderten Verordnung vorsah, wurde der Klägerin aufgegeben die Abgasparameter für staubförmige Emissionen bis spätestens ab dem 01.10.2010 einzuhalten. Vorgegeben wurde insoweit nur das Ziel, nicht jedoch die Einrichtung oder Maßnahme, mit der das Ziel zu verwirklichen ist. Der Klägerin blieb die Wahl der aus ihrer Sicht technisch und wirtschaftlich besten Lösung.
Für eine neue Rauchgasreinigungsanlage holte die Klägerin das Angebot der T GmbH vom 14.02.2006 ein. Dies belief sich auf 863.000 EUR.
Zudem ließ die Klägerin von der U AG zu den Heizkraftwerken die Konzeptstudie vom 14.09.2006 erstellen.
Die Aufgabe erstreckte sich darauf, die Betriebsbedingungen des Biomasse-Heizkraftwerks zu untersuchen und Vorschläge für ein optimales Kraft-Wärme-Kopplungs-System zu unterbreiten. Zudem war die Entstaubungsanlage des Biomasse-Heizkraftwerks gegen ein anderes System, das den Brennstoffeinsatz und die immissionsschutzrechtlichen Belange berücksichtigt, einzuplanen.
Zur Rauchgasentstaubung des Biomasse-Heizkraftwerks wurde ein Kiesbettfilter verwendet. In der Konzeptstudie wurde als mögliche Lösung der Einsatz eines Elektrofilters oder eines Gewebefilters, der neben dem Staub weitere Abscheidungen von Hologenverbindungen, Dioxinen etc. zu leisten vermag, vorgestellt. In der Übersicht der Investitionskosten ist ein Gewebefilter nebst zugehörigen Geräten mit Investitionskosten in Höhe von 1.750.000 EUR ausgewiesen. Zur Durchführung der Maßnahme der Rauchgasentstaubung ist festgehalten, die vorhandene Entstaubungsanlage, die neben dem Kesselhaus aufgestellt ist, müsse bis zur Inbetriebnahme der neuen Anlage erhalten werden. Die neue Anlage sei im Durchgang zwischen dem Gästehaus und einem weiteren Gebäude zu errichten. Die Rauchgasentstaubungsanlage werde montiert und nach Betriebsbereitschaft umgeschlossen.
Am 21.08.2007 bestellte die Klägerin eine entsprechende Rauchgasentstaubungsanlage zu einem Gesamtnettowert in Höhe von 1.800.000 EUR. Im Jahr 2008 wurde die Rauchgasfilteranlage bzw. Entstaubungsanlage erneuert. Die neue Entstaubungsanlage wurde auf dem Dach eines zuvor errichteten Maschinenhauses, in dem sich die Turbinenanlage zur Stromerzeugung befindet, errichtet. Die Rauchgasentstaubungsanlage ist über Rohrleitungen mit der Feuerungsanlage verbunden. Das Abgas der Feuerungsanlage wird zur Einhaltung der Grenzwerte für Rauchpartikel durch die Rauchgasentstaubungsanlage gereinigt.
Für die notwendigen Erneuerung der Rauchgasfilteranlage bildete die Klägerin in der Bilanz zum 31.12.2005 gemäß § 6 Abs. 3a Buchst. e) EStG eine abgezinste Rückstellung in Höhe von 696.000 EUR, die sie in der Bilanz zum 31.12.2006 um 919.000 EUR erhöhte – abgezinste Rückstellung zum 31.12.2006 in Höhe von 1.615.000 EUR –.
Für die Veranlagungszeiträume 2003-2006 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C eine Außenprüfung bei der Klägerin durch – Prüfungsbericht vom 22.11.2007 –.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, zur Erfüllung der Verpflichtung, die Emissionswerte spätestens am 01.10.2010 einzuhalten, könne eine Rückstellung nicht gebildet werden. Eine Rückstellungsbildung sei nur dann zulässig, wenn die Erfüllung dieser Umweltverpflichtung durch den Betrieb in der Vergangenheit begründet sei. Hieran fehle es. Dies entspreche der Auffassung des BMF im Schreiben vom 27.09.1988 – IV B 2-S 2137 – 49/88. Zu dem abweichenden Urtei...