Entscheidungsstichwort (Thema)
Duldungsbescheid nach Gläubigeranfechtung gemäß AnfG
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Rechtshandlung eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligt, ist gemäß § 1 AnfG anfechtbar. Entscheidend ist, ob der Schuldner durch sein Handeln dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist. Die Wirksamkeit der Rechtshandlung ist unerheblich.
2) Eine solche Rechtshandlung liegt etwa dann vor, wenn der Schuldner Dritte anweist, die ihm zustehenden Forderungsbeträge auf ein Fremdkonto zu überweisen.
3) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Rechtshandlung trägt der Anfechtende.
4) Der Benachteiligungsvorsatz für die Anfechtung gemäß § 3 Abs. 1 AnfG ist in aller Regel anzunehmen, wenn dem Schuldner bekannt ist, dass er zahlungsunfähig ist oder dass Zahlungsunfähigkeit droht.
5) Sind dem Anfechtungsgegner die Hilfstatsachen des § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG bekannt, wird seine Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vollstreckungsschuldners vermutet.
6) Hat es der Anfechtungsgegner hingenommen, dass auf seinem Konto mehrere Vermögenssphären vermischt werden, und lässt es sich infolgedessen nicht mit hinreichender Sicherheit klären, welche Gelder wofür verwendet wurden, bleibt der Einwand des Anfechtungsgegners, ihm sei nichts zu Gute gekommen, unbeachtet.
Normenkette
AO § 5; FGO § 102; AnfG §§ 1, 3-4, 11; AO § 191
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides.
Die Eltern des am 22.11.1977 geborenen Klägers schulden dem Land Nordrhein-Westfalen Steuern und steuerliche Nebenleistungen betreffend die Jahre 1979 bis 2004 i.H.v. insgesamt 100.852,58 EUR (Stand 03.04.2007). Vollstreckungen in das Vermögen der Eltern blieben erfolglos. Der Vater des Klägers gab u.a. am 12.03.1997, 30.11.1999, 13.08.2003 und 15.07.2004 eidesstattliche Versicherungen ab und die Mutter des Klägers am 13.08.2003. Der Vater des Klägers ist gewerblich tätig und die Mutter des Klägers nichtselbständig tätig.
Zur Abwicklung sowohl des gewerblichen als auch des privaten Geldverkehrs nutzten die Eltern des Klägers zumindest seit 2003 das Konto 0000001 bei der G. Bank, das der Kläger am 04.09.1996 eröffnet hatte und für das er seinem Vater am 04.05.2004 Kontovollmacht erteilt hat. Auch der Arbeitslohn des Klägers wurde auf dieses Konto eingezahlt.
Mit Anfechtungs- und Duldungsbescheid vom 22.01.2007 hat der Beklagte die einzelnen Zahlungen, die für die Eltern des Klägers auf dessen o.g. Konto in dem Zeitraum 02.01.2003 bis 29.09.2006 eingegangen waren und sich in der Summe auf 151.503,09 EUR belaufen, unter Berufung auf §§ 3 Abs. 1, 4 AnfG angefochten. In dem Bescheid sind die Steuerschulden der Eltern nach Veranlagungszeitraum, Steuerart und Höhe im Einzelnen aufgeführt. Außerdem war dem Bescheid eine Anlage beigefügt, in der die angefochtenen Einzahlungen mit Eingangsdatum, Betrag und Veranlassungszusammenhang einzeln aufgelistet sind.
Der Beklagte begründete den Anfechtungsanspruch wie folgt:
Die Gläubigerbenachteiligung liege darin, dass der Finanzbehörde durch die Einzahlungen auf das Konto des Klägers der Vollstreckungszugriff auf diese Geldbeträge entzogen worden sei. Die Eltern des Klägers seien schon seit Jahren Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen. Dass die gewählte Konstellation (Abwicklung des gesamten Geldverkehrs mit eigener Vollmacht über ein fremdes Konto) zugleich einen Schutz vor möglichen Vollstreckungsmaßnahmen darstelle, sei den Eltern des Klägers zu jeder Zeit bewusst gewesen und sie hätten die hierdurch entstandene Gläubigerbenachteiligung bewusst in Kauf genommen.
Da der Kläger das gleiche Konto als Gehaltskonto genutzt habe und er somit jederzeit über die Vorgänge auf dem Konto informiert gewesen sei, sei ihm Art und Umfang der über dieses Konto getätigten Geldgeschäfte der Eltern bekannt gewesen. Als im elterlichen Haushalt lebender Sohn seien ihm aufgrund der persönlichen Beziehung auch die kritische wirtschaftliche Lage sowie die Schulden der Eltern bekannt gewesen. Mit den seinen Eltern zustehenden Einzahlungen habe der Kläger eine Sicherung oder Befriedigung erlangt, die ihm nie zugestanden habe. Die hierin liegende inkongruente Deckung sei ein erhebliches Beweisanzeichen sowohl für die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners.
Wie und in welcher Höhe der Kläger über den erlangten Vermögenszuwachs (Gutschriften auf seinem Konto) verfügt habe bzw. wie sich das einmal vorhandene Guthaben auf dem Konto entwickelt habe, sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Verweis auf BFH, Beschluss vom 17.01.2000 – VII B 282/99) ohne Bedeutung. Denn die Art und Weise der späteren Verwendung der übertragenen Geldmittel könne nicht ungeschehen machen, dass den Gläubigern der Eltern des Klägers der Vollstreckungszugriff auf die diesen ursprünglich zustehende Forderungen vereitelt worden sei.
Zudem würden hinsichtlich der Geldeingänge, die innerhalb der Vierjahresfrist des § 4 ...