Entscheidungsstichwort (Thema)
Duldungsbescheid nach Gläubigeranfechtung gemäß AnfG
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Rechtshandlung eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligt, ist gemäß § 1 AnfG anfechtbar. Entscheidend ist, ob der Schuldner durch sein Handeln dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist. Die Wirksamkeit der Rechtshandlung ist unerheblich.
2) Eine solche Rechtshandlung liegt etwa dann vor, wenn der Schuldner Dritte anweist, die ihm zustehenden Forderungsbeträge auf ein Fremdkonto zu überweisen.
3) An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn eine Forderung, die durch Einzahlung auf das Konto zum Erlöschen gebracht wird, nicht pfändbar war.
4) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Rechtshandlung und der objektiven Gläubigerbenachteiligung trägt der Anfechtende.
5) Der Benachteiligungsvorsatz für die Anfechtung gemäß § 3 Abs. 1 AnfG ist demgegenüber in aller Regel anzunehmen, wenn dem Schuldner bekannt ist, dass er zahlungsunfähig ist oder dass Zahlungsunfähigkeit droht.
6) Zwar setzt § 3 Abs. 1 AnfG positive Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Gläubigerbenachteilungsabsicht voraus; derjenige, der ein Dokument unterschrieben hat, kann sich jedoch nicht darauf berufen, das Dokument vor der Unterschrift nicht gelesen zu haben.
7) Hat es der Anfechtungsgegner hingenommen, dass auf seinem Konto mehrere Vermögenssphären vermischt werden, und lässt es sich infolgedessen nicht mit hinreichender Sicherheit klären, welche Gelder wofür verwendet wurden, bleibt der Einwand des Anfechtungsgegners, ihm sei nichts zu Gute gekommen, unbeachtet.
Normenkette
AO § 5; FGO § 102; AnfG §§ 1, 3-4, 11; AO § 191
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Anfechtungs- und Duldungsbescheids.
Die am 14.10.1982 geborene Klägerin (Klin.) ist die Tochter der Eheleute B. und V. L. Die Eltern der Klin. waren Geschäftsführer der Firma N. L. GmbH und wurden als solche durch Haftungsbescheide vom 16.12.2005 für Steuerschulden der GmbH i.H.v. 96.291,70 EUR in Haftung genommen. Die Haftungsbescheide sind bestandskräftig. Vollstreckungsmaßnahmen gegen die N. L. GmbH und die Eltern der Klin. blieben erfolglos. Die Eltern gaben in 2003 eidesstattliche Versicherungen ab.
Zwischen der Klin. und ihrer am 21.10.1981 geborenen Schwester S1. einerseits und den Eltern andererseits kam es in der Vergangenheit u.a. zu folgenden vertraglichen Beziehungen:
- • Der Vater der Klin. war früher Alleingesellschafter und Geschäftsführer der C. L. GmbH mit Sitz in C1., über deren Vermögen am 15.07.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (AG B1., … IN …/99). Das Insolvenzverfahren wurde in 2001 beendet und die Gesellschaft anschließend fortgesetzt. Mit notariellem Vertrag vom 30.12.2004 wurde die Schwester der Klin., die zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Ehemann in C2. lebte und dort nichtselbständig tätig war, zur alleinigen Geschäftsführerin bestellt. Mit Haftungsbescheiden vom 12.04.2005 (12.510,98 EUR) und 22.03.2006 (6.836,98 EUR) wurden sowohl sie als auch ihr Vater für Steuerschulden der GmbH in Haftung genommen. S1. war als Strohfrau eingesetzt; sie unterschrieb lediglich den von ihren Eltern vorbereiteten Schriftverkehr.
- • Die C. L. GmbH hatte von dem Vater der Klin. vier Darlehen und von der Mutter der Klin. ein weiteres Darlehen erhalten, welche in der Bilanz auf den 31.12.1999 mit über 500.000 DM ausgewiesen waren und die ausweislich der ursprünglichen Darlehensverträge (Bl. 212-214 der Akte „Sonstige Unterlagen”) zu verzinsen waren. Mit schriftlichen Vereinbarungen vom 04.12.1999 betreffend drei zwei Darlehensforderungen i.H.v. insg. 246.998,01 DM haben die Eltern ihre Darlehensansprüche zu gleichen Teilen an ihre Kinder abgetreten (s. Bl. 207-209 der Akte „Sonstige Unterlagen”). In der Bilanz der GmbH wurde der Forderungsübergang erst ab 2003 berücksichtigt. In den ESt-Erklärungen der Töchter wurden z.T. Zinseinnahmen erklärt. Am 30.11.2007 hat die Klin. einen „Nachtrag zum Darlehensvertrag” (Bl. 109 Gerichtsakte – GA –) unterschrieben, worin sie auf einen Teil der Darlehenssumme verzichtete und Zinsfreiheit vereinbart wurde.
- • Mit notariellem Vertrag vom 30.12.2002 (Urner…/2002 der Notars I. T. aus P., Bl. 193 ff. der Akte „Sonstige Unterlagen”) erwarb die Klin. von ihrer Mutter das Grundstück T1.-Straße 01 in C1. für 60.000 EUR. Unter „§ 1 Grundbuchbestand” heißt es: „lfd. Nr. 4: Die Zwangsversteigerung des Grundstücks ist angeordnet (Az.: 5 K 42/01) eingetragen 09.11.2002 … hinsichtlich des Zwangsversteigerungsvermerks wird die die Versteigerung betreibende Gläubigerin um Hereingabe der Löschungsunterlagen gebeten, zumal der Gesamtkaufpreis direkt an sie gezahlt werden soll.” Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klin., die sich noch in Ausbildung befand, ein Darlehen über 40.000 EUR bei der Volksbank T2. auf. Die zur Darlehenstilgung benötigten Mittel wurden der Klin. von ihren Eltern überwiesen. Ein am 20.03.2006 gegenüber der Klin. in Bezug auf die Grundstücksübertra...