Entscheidungsstichwort (Thema)
Ertragsteuerliche Behandlung von an außenstehende Aktionäre gezahlte Zinsen gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG auf gezahlte Barabfindungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Zinsen auf an außenstehende Aktionäre gezahlte Barabfindungen gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG für den Zeitraum bis zur Ausübung des Optionsrechts sind wirtschaftlich Ausgleichszahlungen i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und dürfen den Gewinn nicht mindern. Bis zu ihrem endgültigen Ausscheiden erhalten außenstehende Aktionäre die Verzinsung gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG noch in ihrer Funktion als Gesellschafter. Bis zur Ausübung der Optionsrechtes werden daher nicht schuldrechtliche Forderungen gegen die Gesellschaften verzinst, sondern die Einlagen der später ausgeschiedenen Gesellschafter.
2. Zinsen auf an außenstehende Aktionäre gezahlte Barabfindungen gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG für den Zeitraum von der Ausübung des Optionsrechts bis zur Zahlung der Abfindungserhöhungsbeträge stellen bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Verzinsung von Fremdkapital dar und sind daher als Dauerschuldentgelte i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. (in der für 2006 geltenden Fassung) dem Gewerbeertrag zur Hälfte hinzuzurechnen.
Normenkette
GewStG 2006 § 8 Nr. 1; AktG § 305 Abs. 3 S. 3; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 9
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob gem. § 305 Abs. 3 Satz 3 des Aktiengesetzes (AktG) zu zahlende Zinsen Dauerschuldentgelte i.S.v. § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (GewStG a.F.) sind.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die im Handelsregister des Amtsgerichts (AG) S unter dem Registerblatt HRB X eingetragen ist. Sie gehört zur international tätigen L-Unternehmensgruppe und ist unter anderem an der L Deutschland AG (im Folgenden L AG), welche früher unter dem Namen A AG firmierte, und an der H AG (im Folgenden: H AG), welche früher unter dem Namen H Verwaltungs-Aktiengesellschaft firmierte, beteiligt.
Die Klägerin schloss als Organträgerin mit der L AG bzw. der H AG, jeweils als Organgesellschaften, am 00.00.1989 Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge (EAV). Sie war aufgrund dessen gegenüber den außenstehenden Aktionären verpflichtet, diesen gem. § 304 AktG einen angemessenen Ausgleich zu zahlen oder auf deren Verlangen die Aktien gegen eine Abfindung jeweils in angemessener Höhe zu erwerben (§ 305 Abs. 1 AktG). Im EAV zwischen der Klägerin und der L AG war die Höhe der zu leistenden Abfindung auf einen Betrag in Höhe von X DM (≈ X €) je Aktie der L AG mit einem Nennbetrag von 50 DM festgelegt. Die zu leistende Abfindung an außenstehende Aktionäre der H AG wurde im EAV zwischen der Klägerin und der H AG auf einen Betrag in Höhe von X DM (≈ X €) je Stammaktie der H AG mit einem Nennbetrag von 50 DM bzw. in Höhe von X DM (≈ X €) für Vorzugsaktien der H AG mit einem Nennbetrag von 50 DM festgelegt. Für Aktien mit höherem Nennwert sollten jeweils entsprechend erhöhte Abfindungsbeträge gelten. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den beiden EAV vom 00.00.1989 wird auf die mit Schriftsatz vom 31.8.2020 auf einem USB-Stick übersendeten Kopien der Verträge Bezug genommen.
Die Klägerin erwarb deshalb seit dem Jahr 1989 eine Vielzahl von Aktien von außenstehenden Aktionären entsprechend § 305 AktG zurück. Die gezahlten Barabfindungen bilanzierte sie als Anschaffungskosten der Aktien. Der zu zahlende Abfindungsbetrag war gem. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG in der jeweils gültigen Fassung nach Ablauf des Tages, an dem die EAV wirksam geworden sind, jährlich mit 2 bzw. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank / Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank / Basiszinssatz gem. § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu verzinsen. Auf diese Zinsen wurden nach ständiger zivilrechtlicher Rechtsprechung bisher geleistete Ausgleichszahlungen i.S.v. § 304 AktG angerechnet (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 16.9.2002 II ZR 284/01, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BGH – BGHZ – 152, 29 und vom 2.6.2003 II ZR 85/02, BGHZ 155, 110). Die Klägerin leistete die in den EAV der Höhe nach festgelegten Abfindungen nebst Zinsen i.S.v. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG jeweils innerhalb eines Jahres nach Ausübung des Optionsrechts durch die Anleger. Wegen der Einzelheiten zu dem jeweiligen Einreichungszeitpunkt der Aktien, zur Zinsberechnung und zur Höhe der anzurechnenden Ausgleichszahlungen wird auf die auf einem mit Schriftsatz vom 31.8.2020 übersendeten USB-Stick abgelegten Dateien „SpruchverfahrenZinsaufwandEinzelbuchungenLAG.xlsx” und „SpruchverfahrenZinsaufwandEinzelbuchungenH.xlsx” Bezug genommen.
In den Jahren 2005 bis 2007 führten außenstehende Aktionäre der L AG und der H AG Spruchverfahren über die Angemessenheit der Abfindungen.
In dem von den Aktionären der L AG geführten Spruchverfahren entschied das Landgericht (LG) R mit Beschluss vom 00.00.2000 in erster Instanz (Az. X), dass ...