Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht der Energiepreispauschale. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 15/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Gesetzgeber hat die Energiepreispauschale im Wege eines Rechtsfolgenverweises den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet, so dass es auf den Veranlassungszusammenhang der Einnahme mit der vom Arbeitnehmer erbrachten Leistung nicht ankommt.
2. Der Deutsche Bundestag hat seine Gesetzgebungskompetenz für das Steuerentlastungsgesetz 2022, in welchem die Regelungen für die Energiepreispauschale in §§ 112 bis 122 EStG enthalten waren, auf Art. 105 Abs. 2 GG gestützt und der Bundesrat hat dem gemäß § 105 Abs. 3 GG zugestimmt.
3. Auch in materieller Hinsicht verstößt§ 119 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
4. Der Gesetzgeber hat im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Beurteilungsspielraum; er muss dabei allerdings das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit beachten.
5. Die Besteuerung soll nicht nur der Erhöhung staatlicher Einnahmen dienen, sondern auch eine sozial gerechte Verteilung der Energiepreispauschale durch die progressionsabhängige Besteuerung ermöglichen.
Normenkette
GG Art. 72 Abs. 2, Art. 105 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, Art. 106 Abs. 3; EStG § 2 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, §§ 112, 119 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die im Jahr 2022 ausgezahlte Energiepreispauschale einkommensteuerpflichtig ist.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2022 ganzjährig Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und erhielt von seinem Arbeitgeber die sogenannte Energiepreispauschale in Höhe von 300 € ausgezahlt.
Der Beklagte veranlagte den Kläger mit Einkommensteuerbescheid vom 22.03.2023 und berücksichtigte dabei – entsprechend der vom Arbeitgeber übersandten Lohnsteuerbescheinigung (die den Großbuchstaben „E” enthält) und der Einkommensteuererklärung, in denen die 300 € jeweils im Bruttoarbeitslohn enthalten waren – auch die Energiepreispauschale von 300 € als steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Seinen gegen die Besteuerung der Energiepreispauschale gerichteten Einspruch vom 27.03.2023 begründete der Kläger damit, dass die Energiepreispauschale keine steuerbare Einnahme i.S.d. § 19 EStG darstelle. Es handele sich dabei um eine Subvention des Staates, die in keinem Veranlassungszusammenhang zu seinem Arbeitsverhältnis stehe. Der Arbeitgeber sei lediglich als Erfüllungsgehilfe für die Auszahlung dieser Subvention tätig geworden.
Auch eine Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG sei unzulässig, da die Auszahlung nicht auf einer Leistung des Steuerpflichtigen beruhe und der Tatbestand daher nicht erfüllt sei. Die Fiktion des § 119 Abs. 2 Satz 1 EStG erweitere in unzulässiger Weise den festumrissenen Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Fiktion gebe es nicht und die bundesstaatlichen Kompetenzschranken seien damit überschritten worden.
Im Ergebnis sei die Energiepreispauschale nicht steuerbar, da keine der sieben Einkunftsarten greife.
Mit Einspruchsentscheidung vom 05.07.2023 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Gesetzgeber habe die Steuerpflicht der Energiepreispauschale in § 119 EStG geregelt. Im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit stelle sie eine Einnahme dar, die als „sonstiger Bezug” des Arbeitnehmers zu erfassen sei. Unter diesen Begriff fielen einmalige Zahlungen, die der Arbeitgeber neben dem laufenden Arbeitslohn an den Arbeitnehmer auszahlt. Auch auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums werde unter der Rubrik „FAQ” darauf hingewiesen, dass die Energiepreispauschale bei Arbeitnehmern, die im Veranlagungszeitraum 2022 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt haben, wie Arbeitslohn zu berücksichtigen sei.
Dagegen hat der Kläger am 10.07.2023 Klage erhoben.
Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren und einen Aufsatz zur Einkommensbesteuerung der Energiepreispauschale (Kanzler, FR 2022, 641).
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2022 vom 22.03.2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2023 dahingehend zu ändern, dass die erhaltene Energiepreispauschale von 300 € nicht der Besteuerung unterworfen und die festgesetzte Einkommensteuer entsprechend um 80,00 € gemindert wird,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er wiederholt seine Ausführungen aus der Einspruchsentscheidung und legt ergänzend die Anspruchsberechtigung des Klägers auf die Energiepreispauschale dar. Der Anspruch sei am 01.09.2022 entstanden und im Veranlagungszeitraum 2022 als steuerpflichtige Einnahme zu erfassen. Mit der Erfassung der Energiepreispauschale im angefochtenen Einkommensteuerbescheid habe der Beklagte sich an die durch den Gesetzgeber geregelte Steue...