Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung der Jahressteuerschuld im Insolvenzfall
Leitsatz (redaktionell)
Im Fall der Insolvenz ist die Einkommensteuer verschiedenen Forderungskategorien zuzuordnen, nämlich den Insolvenzforderungen, den Masseverbindlichkeiten und dem insolvenzfreien Vermögen.
Die Aufteilung der Jahressteuerschuld erfolgt entsprechend dem Verhältnis der auf die jeweiligen Vermögensbereiche entfallenden Einkünfte zueinander.
Diese Aufteilung ist im Hinblick auf den progressiven Steuertarif sachgerecht, weil zur Jahressteuerschuld alle Einkommensteile beitragen. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen kann deshalb ermessensfehlerfrei abgelehnt werden.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1; AO § 163 Abs. 1 S. 1; InsO § 38
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der gegen das insolvenzfreie Vermögen festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 2012.
Der Kläger wurde im Streitjahr zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt (§§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes – EStG –).
Mit Beschluss des Amtsgerichts R-Stadt (Az. XXX) vom 02.08.2012 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beigeladene zur Insolvenzverwalterin bestellt.
Mit Bescheid über die Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen für das Jahr 2012 zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, zuletzt geändert am 13.10.2017, setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Einkommensteuer auf 11.194,02 €, die Kirchensteuer auf 955,34 € und den Solidaritätszuschlag auf 583,82 € fest. Nach Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer des Klägers und seiner Ehefrau ergab sich hieraus eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von insgesamt 3.261,12 €.
Ausweislich der Begründung lag der Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr 2012 insgesamt ein festgesetzter Jahresbeitrag an Einkommensteuer in Höhe von 42.681,00 €, an Kirchensteuer in Höhe von 3.642,57 € sowie an Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.226,01 € zugrunde, basierend auf den folgenden Einkünften des Klägers und seiner Ehefrau im Kalenderjahr 2012:
|
Einkünfte aus … |
Höhe der Einkünfte in € |
Kläger |
Beteiligung an der T.-Immobilien GmbH & Co. KG (§ 15 EStG) |
41.885,00 |
Kläger |
unselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) |
71.782,00 |
Ehefrau |
unselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) |
42.150,00 |
Ehefrau |
Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) |
2.219,00 |
Gesamt |
|
158.036,00 |
Diese Einkünfte teilte der Beklagte ausweislich des beigefügten Berechnungsblattes, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wie folgt auf:
Höhe der Einkünfte in € (s.o.) |
Insolvenzforderungen in € |
Masseverbindlichkeiten in € |
Insolvenzfreies Vermögen in € |
41.885,00 |
24.490,00 |
17.395,00 |
– |
71.782,00 |
41.971,00 |
– |
29.811,00 |
42.150,00 |
24.645,00 |
6.450,00 |
11.055,00 |
2.219,00 |
1.297,00 |
340,00 |
582,00 |
158.036,00 (100%) |
92.403,00 (58,5%) |
24.185,00 (15,3%) |
41.448,00 (26,2%) |
Die für das Kalenderjahr 2012 einheitlich ermittelte Einkommensteuer, Kirchensteuer sowie den Solidaritätszuschlag teilte der Beklagte entsprechend diesem Verhältnis der Teileinkünfte anteilig den verschiedenen insolvenzrechtlichen Vermögensbereichen zu, woraus sich für das insolvenzfreie Vermögen die im Bescheid aufgeführten Einkommensteuerfestsetzung in Höhe von 11.194,02 € ergab.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Zudem beantragte er (hilfsweise) eine abweichende Festsetzung der Einkommensteuer 2012 aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abgabenordnung (AO), soweit diese auf dem Progressionseffekt durch Zurechnung der Beteiligungseinkünfte aus der T.-Immobilien GmbH & Co. KG beruhte. Zur Begründung trug der Kläger zum einen vor, dass er für seinen gesamten Arbeitslohn bereits Lohnsteuer entrichtet habe; daher sei nicht nachvollziehbar, warum die gesamte Steuer im Verhältnis des Arbeitslohns aufgeteilt werde. Zum anderen seien zwar die Beteiligungseinkünfte zutreffend der Insolvenzmasse zugeordnet worden, durch die Steuerprogression ergebe sich jedoch auch eine Mehrsteuer für den insolvenzfreien Bereich. Dies müsse in der Weise korrigiert werden, dass die gesamte auf die Einkünfte aus der Mitunternehmerschaft entfallende Mehrsteuer als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren und festzusetzen sei. Denn ihm, dem Kläger, seien Erträge aus der Beteiligung nicht zugeflossen. Die vom Beklagten vorgenommene Festsetzung verstoße daher gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Mit Ablehnungsbescheid vom 06.04.2017 lehnte der Beklagte den Antrag auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen ab. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass Nachteile, welche schon im Besteuerungszweck enthalten seien und welche der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes bewusst in Kauf genommen habe, eine abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen könnten. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen komme nur in Betracht, wenn angenommen werden könne, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne eines Erlass...