Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Vermutung des Vermögensverfalls eines Steuerberaters wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann widerlegt werden, wenn der Steuerberater substanziiert darlegt und beweist, dass im Einzelfall trotz des über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens oder der Eintragung im Schuldnerverzeichnis kein Vermögensverfall gegeben ist und er inzwischen wieder in geordneten Verhältnissen lebt.
2. Soweit die fehlende Berechtigung bestehender Eintragungen im Schuldnerverzeichnis geltend gemacht wird, müssen der Nachweis getilgter Forderungen erbracht und eine Löschungsbestätigung vorgelegt werden.
3. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG steht mit der nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit im Einklang.
4. Der Umstand, dass ein Steuerberater nur als Angestellter tätig wird, reicht nicht aus, um nachzuweisen, dass Mandanteninteressen nicht betroffen sind.
Normenkette
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4, § 48 Abs. 1 Nr. 3; InsO § 26 Abs. 2; ZPO § 882b; GG Art. 12 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu Recht widerrufen hat.
Der Kläger wurde am xx.xx.2007 zum Steuerberater bestellt. Seitdem war er zunächst in eigener Praxis als Steuerberater tätig.
Anfang Oktober 2020 unterrichtete das Amtsgericht N-Stadt die Beklagte über einen gegen den Kläger erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Grundlage dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses war ein Vollstreckungsbescheid über einen Hauptforderungsbetrag i. H. v. … € (Gesamtforderung einschließlich Zinsen und weiterer Kosten: … €).
Außerdem wurde der Kläger aufgrund einer Anordnung aus dem Oktober 2020 wegen ausgeschlossener Gläubigerbefriedigung in das Schuldnerverzeichnis eingetragen (Aktenzeichen DR II …/20). Diese Eintragung beruhte auf einem gegen den Kläger vorliegenden Zwangsvollstreckungsauftrag über eine Forderung i. H. v. … € nebst Kosten i. H. v. … €.
Im weiteren Verlauf des Oktober 2020 beantragte der Kläger beim Amtsgericht N-Stadt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit. Dieses wurde im November 2020 eröffnet.
Ab dem November 2020 war der Kläger als Arbeitnehmer bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in N-Stadt tätig. Nach dem Anstellungsvertrag hat der Kläger die Aufgabe, seine Arbeitgeberin in ihrer beruflichen Tätigkeit nach ihren Weisungen zu unterstützen und insbesondere als Steuerberater bei der Aufstellung und Prüfung von handels- und steuerrechtlichen Jahresabschlüssen und der Bearbeitung von Steuererklärungen mitzuwirken. Gleichfalls hat er bei der allgemeinen, wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Beratung der Mandanten mitzuwirken (§ 1 des Anstellungsvertrags). Der Kläger hat seine gesamte Arbeitskraft ausschließlich für die Belange der Arbeitgeberin zur Verfügung zu stellen. Er ist verpflichtet, während des Anstellungsverhältnisses keine auf Erwerb gerichtete Nebenbeschäftigung ohne schriftliche Genehmigung der Arbeitgeberin zu übernehmen. Insbesondere ist ihm eine selbständige freiberufliche Tätigkeit nicht gestattet (§ 4 Abs. 1 des Anstellungsvertrags).
Im Dezember 2020 nahm die Beklagte ein Widerrufsverfahren gegen den Kläger auf.
Im Januar 2021 informierte die Oberfinanzdirektion … die Beklagte über Steuerrückstände des Klägers in einer Gesamthöhe von … € betreffend die Einkommensteuer der Jahre 2014, 2016 bis 2018, die Lohnsteuer September und Oktober 2020 sowie die Umsatzsteuer für die Jahre 2019 bis 2020.
Im Mai 2021 schlossen der Kläger und seine Arbeitgeberin eine Ergänzungsvereinbarung zum Anstellungsvertrag ab. Sie vereinbarten, dass Änderungen des Anstellungsvertrags von beiden Seiten der zuständigen Steuerberaterkammer unverzüglich mitgeteilt werden.
Zum Abschluss des Widerrufsverfahrens, welches mit dem Austausch mehrfacher und umfangreicher Stellungnahmen seitens des Klägers und der Beklagten einherging, erließ die Beklagte am 30.06.2021 einen Bescheid, mit dem sie die Bestellung des Klägers als Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wegen vermuteten Vermögensverfalls widerrief. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Stellungnahmen des Klägers und der Beklagten sowie das ebenfalls in der Verwaltungsakte der Beklagten befindliche Protokoll der Sitzung der Abteilung II Berufsrecht/Berufsaufsicht am xx.xx.2021 verwiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 02.08.2021 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor: Die Vermutung des Vermögensverfalls bei Eintritt des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters sei nach der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre nicht mehr verfassungsgemäß. In Anbetracht des schwerwiegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit des Betroffenen erscheine die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Be...