Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für das Auslandskind eines nicht rentenversicherungspflichtigen Gewerbetreibenden polnischer Staatsangehörigkeit mit inländischem Wohnsitz

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Kindergeldanspruch eines Gewerbetreibenden mit erheblichem, die Einkommensgrenzen des polnischen Gesetzes über Familienleistungen (v. 28.12.2003, Gesetzblatt Nr. 228/2003 Pos. 2255) überschreitenden inländischem Einkommen, besteht in voller Höhe ohne eine Anrechnung auf das deutsche Kindergeld gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

2) Ist der Gewerbetreibende im Inland nicht rentenversicherungspflichtig, entfällt auch eine Kürzung nach Art. 76 Abs. 1 und 2 der VO (EWG) 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 bzw. Art. 10 Abs. 1a VO (EWG) 574/72 des Rates vom 21.3.1972 über die Durchführung der VO (EWG) 1408/71 oder nach Art. 12 Abs. 2 VO (EWG) 1408/71 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der VO (EWG) 574/72.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1 S. 3, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für den Kläger (Kl.) Anspruch auf Kindergeld für sein in Polen lebendes Kind besteht.

Der Kl. ist polnischer Staatsangehöriger. Aufgrund der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zunächst in S hat er Ende des Jahres 2004 einen inländischen Wohnsitz.

Der Kl. ist Vater seiner im Jahr 2001 geborenen Tochter P, die gemeinsam mit der Ehefrau in Polen lebt.

Die Ehefrau des Kl. hat in Polen für das gemeinsame Kind keine Familienleistungen bezogen und auch nicht beantragt.

Den im Oktober 2006 gestellten Antrag auf Festsetzung von Kindergeld für seine Tochter P lehnte die Familienkasse (FK) mit – bestandskräftigem – Bescheid vom 01.02.2007 mangels Mitwirkung des Kl. bei der Sachverhaltsaufklärung ab.

Im Januar 2008 beantragte der Kl. erneut die Festsetzung von Kindergeld für seine Tochter P. In seinem Antrag erklärte er u.a., in der Zeit von 1989 bis 2000 in Polen als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen zu sein und seit dem 17.11.2004 in Deutschland einer selbständigen Tätigkeit (Trockenbau) nachzugehen. Wegen dieser Erwerbstätigkeit in Deutschland unterliege er nicht der Sozialversicherung. Seine Ehefrau sei nicht in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung erwerbstätig gewesen. Für seine Tochter habe er während des Zeitraums von 2001 bis 2004 monatlich ca. PLN 40 Kindergeld erhalten.

Mit Bescheid vom 08.04.2008 lehnte die FK den erneuten Antrag auf Kindergeld ab. Sie führte an, der Kl. unterliege nach Maßgabe der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 ausschließlich den Rechtsvorschriften Polens.

Während des Einspruchsverfahrens erließ die FK am 12.06.2008 einen Teilabhilfebescheid, mit dem sie für P ab März 2007 zumindest hälftiges Kindergeld i.H.v. monatlich EUR 77 festsetzte. Zur Begründung führte die FK nunmehr an, weder der Kl. noch seine Ehefrau seien mangels Sozialversicherungspflicht vom Geltungsbereich der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 erfasst. Allerdings schließe der in Polen bestehende Anspruch auf Kindergeld für die Tochter gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) den inländischen Kindergeldanspruch grundsätzlich aus. Durch die allgemeine Konkurrenzvorschrift des Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) 574/72 des Rates vom 21.03.1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ergebe sich allerdings, dass in Deutschland zumindest das hälftige Kindergeld zu zahlen sei.

Der Änderungsbescheid vom 12.06.2008 wurde Gegenstand des Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3 Satz 1 AbgabenordnungAO –).

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 26.06.2008 wies die FK den weitergehenden Einspruch als unbegründet zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.

Mit der am 29.07.2008 erhobenen Klage zum Finanzgericht verfolgt der Kl. sein außergerichtliches Vorbringen weiter, für seine Tochter P inländisches Kindergeld in voller Höhe zu erhalten.

Während des Klageverfahrens legte der Kl. eine Bescheinigung der Sozialen Versicherungsanstalt ZUS (Zaklad Ubezpieczen Spolecznych) vom 18.06.2009 vor, aus der sich ergibt, dass er in den Jahren 2007 bis 2009 in dem ZUS-Informationssystem weder als zur Versicherung angemeldete Person noch als Beitragszahler aufgeführt worden sei.

Einer weiteren amtlich übersetzten Bescheinigung der Sozialen Versicherungsanstalt ZUS vom 18.06.2009 ist zu entnehmen, dass die Ehefrau des Kl. bei dem Nationalen Gesundheitsfonds (NFZ) vom 31.10.2005 bis zum 08.01.2007, vom 22.05.2007 bis zum 05.11.2007 sowie vom 07.02.2008 bis zum 01.05.2009 krankenversichert gewesen sei.

In einer ebenfalls amtlich übersetzten Bescheinigung des Städtischen Zentrums der Familienhilfe in L vom 30.04.2009 heißt es, die Ehefrau des Kl. habe während des Zeitraums vom 01.01.2007 bis 30.04.2009 keine Familienleistungen bezogen und auch keinen Antrag auf Kindergeld für den Zeitraum 2008/2009 gestellt.

Ferner teilte der Kl. mit Schreiben vom 21.09.2009 mit, während des Streitzeitraums (März 2007...

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