Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses mit einer fast volljährigen Person
Leitsatz (redaktionell)
Ein Pflegekindschaftsverhältnis ist wesentlich durch das Obhuts- und Betreuungsverhältnis zwischen Eltern und Kind geprägt. Besteht ein solches zu den leiblichen Eltern nicht mehr und wird das Kind statt dessen von einer anderen Person, die vom Alter und von der Reife her Vater oder Mutter sein kann, aufgenommen, bedarf es für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses auch bei (fast) Volljährigen keiner besonderer Umstände.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Pflegekindschaftsverhältnis bestand und deswegen der Klägerin Kindergeld zusteht.
Die Klägerin beantragte am 24.10.2000 Kindergeld für Herrn A.B. , geboren 02.06.1980. Nach einer Meldebescheinigung der Stadt X war A.B. bis 30.07.1997 bei seinen leiblichen Eltern gemeldet.
Ab 30.07.1997 war A.B. unter der Anschrift der Klägerin mit Hauptwohnsitz gemeldet und zwar vom 30.07.1997 bis 26.04.1998 in X , Straße 10, und vom 26.04.1988 bis 30.07.2000 in X , Weg 52.
Ab 30.07.2000 hat sich A.B. nach Y , also zur Wohnung seiner Eltern, abgemeldet.
Die Klägerin begründete ihren Kindergeldantrag damit, dass A.B. in einem Pflegekindschaftsverhältnis zu ihr gestanden habe.
Der Beklagte setzte durch Verwaltungsakt vom 08.12.2000 das Kindergeld für A.B. auf 0 DM fest. Er begründete dies damit, dass ein familienfremdes Kind, das kurz vor oder nach Eintritt der Volljährigkeit mit dem Ziel des dauernden Verbleibs in einen Haushalt aufgenommen werde, kein Pflegekindschaftsverhältnis begründen könne.
Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte wies mit Einspruchsentscheidung vom 03.09.2001 den Einspruch mit der nämlichen Begründung als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, A.B. habe spätestens ab 30.07.1997 in ihrer Familie gelebt. Diese habe ihn betreut und versorgt. Das Betreuungs- und Pflegeverhältnis sei von Anfang an auf Dauer und nicht nur vorübergehend angelegt gewesen. Ein Obhuts- oder Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern habe in diesem Zeitraum nicht bestanden. Die leiblichen Eltern von A.B. hätten ihn in dieser Zeit weder betreut noch finanziell unterstützt. A.B. sei während seiner Versorgung durch die Klägerin im Wesentlichen durch sie finanziell unterhalten worden. Er sei psychisch labil und hinsichtlich seiner Berufsausbildung nicht zielgerichtet gewesen. Erst aufgrund der seelischen Unterstützung durch die Pflegeeltern habe A.B. seine Einstellung geändert und eine Berufsausbildung angestrebt. Während dieser Ausbildung (vom 15.09.1997 bis 14.09.1999) und danach sei er somit auf die Unterstützung durch sie - die Klägerin - angewiesen gewesen. Von Selbständigkeit oder Willen zur Eigengestaltung könne keine Rede sein.
A.B. sei im Jahre 1997 Mitglied einer Jugendclique gewesen, zu der auch die Kinder der Klägerin gehört hätten. Er habe regelmäßig die Kinder der Klägerin in ihrer Wohnung besucht und von erheblichen Problemen und Streitigkeiten mit seinen Eltern erzählt und angegeben, nicht länger mit ihnen zusammenleben zu wollen. Er habe sich darüber beklagt, dass er von seiner Mutter, wenn diese das Haus verlassen habe, in seinem Zimmer eingesperrt worden sei. Auch sei er anlässlich von Auseinandersetzungen mit seinen Eltern häufig körperlich gezüchtigt worden. Letzteres sei auch in Anwesenheit der Jugendclique geschehen.
Daraufhin habe sie - die Klägerin - A.B. angeboten, ihn in die Familie aufzunehmen. Er habe das Angebot angenommen und sei im Juli 1997 in ihren Haushalt gezogen. Die Behauptung des Beigeladenen, zwischen A.B. und der Tochter der Klägerin (C) habe ein Liebesverhältnis bestanden, werde zurückgewiesen. Zwischen beiden habe lediglich ein freundschaftliches Verhältnis im Sinne der Zugehörigkeit zu der Jugendclique und nach der Haushaltsaufnahme wie zwischen Bruder und Schwester bestanden. (C) habe in dieser Zeit eine anderweitige feste Beziehung gehabt.
Der Ehemann der Klägerin habe A.B. , als dieser ohne Ausbildung gewesen sei, einen Ausbildungsplatz als Verkäufer bei der Firma GmbH vermittelt. A.B. habe fortan sein Zuhause auf Dauer im Haushalt der Klägerin begründet. Er habe dort wie ein eigenes Kind im Familienverbund gelebt.
Nur sie - die Klägerin - und ihr Ehemann hätten versucht, insbesondere telefonische Kontakte mit den leiblichen Eltern von A.B. aufzunehmen und diesen über das Befinden ihres Sohnes Mitteilung zu machen. Die leiblichen Eltern hätten daran jedoch kein Interesse gezeigt. Sie hätten jedes Mal den Hörer aufgelegt. Zu Beginn des fraglichen Zeitraumes -im Juli oder August 1997- hätten sie -die Klägerin und ihr Ehemann- einen Versuch der Versöhnung zwischen A.B. und seinen leiblichen Eltern unternommen, der fehlgeschlagen sei. Es sei zu einem tätlichen Angriff von A.B....