Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung einer Klage per E-Mail mit angehängter Klageschrift als pdf-Datei

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die bloße Übermittlung einer pdf-Datei auf elektronischem Weg wahrt nicht die nach § 64 Abs. 1 FGO erforderliche Schriftform.

2. Eine handschriftlich unterzeichnete Beschwerde- oder Klageschrift, die als Anhang einer elektronischen Nachricht im pdf-Format übermittelt wird, ist zu dem Zeitpunkt in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht, in dem bei Gericht ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden pdf-Datei vorliegt. Im Zeitpunkt seines Ausdruckes wandelt sich das elektronische Dokument in ein schriftliches Dokument.

 

Normenkette

FGO §§ 52a, 64 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Zulässigkeit der Erhebung einer Klage per Email, welcher eine pdf-Datei mit handschriftlich unterzeichneter Klageschrift angehängt war.

An der Klägerin zu 3. - einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - ist der Kläger zu 1. in Höhe von 6 v.H. und der Kläger zu 2. in Höhe von 94 v.H. beteiligt. Die Klägerin zu 3. erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Anwesens C-Straße XX in D.

Die Kläger reichten für die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2017 keine Steuererklärungen beim Finanzamt ein. Das Finanzamt schätzte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 162 Abs. 1 AO durch Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wie folgt:

VZ

Bescheid vom

Einkünfte der Klägerin zu 3. aus Vermietung und Verpachtung

Aufteilung auf die Kläger zu 1. und 2.: 6 v.H. / 94 v.H.

Vorbehalt der Nachprüfung

2014

20.04.2016

60.000 €

ja

ja

2015

01.06.2017

20.000 €

ja

ja

2016

07.11.2018

40.000 €

ja

ja

2017

19.02.2019

60.000 €

ja

ja

Mit Bescheiden jeweils vom 14.10.2020 hob das Finanzamt die Vorbehalte der Nachprüfung auf. Die Bescheide wurden den Klägern zu 1. und 2. gemäß § 183 Abs. 2 S. 2 AO einzeln bekanntgegeben.

Das Finanzamt schätzte auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Veranlagungszeitraum 2018 gemäß § 162 Abs. 1 AO und gab den Bescheid den Klägern zu 1. und 2. gemäß § 183 Abs. 2 S. 2 AO einzeln bekannt wie folgt:

VZ

Bescheid vom

Einkünfte der Klägerin zu 3. aus Vermietung und Verpachtung

Aufteilung auf die Kläger zu 1. und 2.: 6 v.H. / 94 v.H.

Vorbehalt der Nachprüfung

2018

09.10.2020

65.000 €

ja

ja

Gegen die Bescheide vom 14.10.2020 über die Aufhebung der Vorbehalte der Nachprüfung in den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2014 bis 2017 als auch gegen den Bescheid vom 09.10.2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2018 wurde mit Schreiben vom 11.11.2020 - eingegangen beim Finanzamt am gleichen Tag per Telefax - jeweils Einspruch eingelegt. Die Einsprüche wurden trotz mehrfacher Aufforderungen nicht begründet.

Mit gemeinsamen Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2021 (Dienstag) wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück und hob den Vorbehalt der Nachprüfung für den Veranlagungszeitraum 2018 auf. In der Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidungen ist u.a. ausgeführt:

"Die Klage ist bei dem Finanzgericht Nürnberg, Deutschherrnstraße 8 in 90429 Nürnberg, schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären."

und

"Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung. Nähere Informationen hierzu sind im Internet unter www.finanzgerichte.bayern.de im Ordner "Elektr. Poststelle" erhältlich."

Am 16.08.2021 - einem Montag - ging bei der Poststelle des Finanzgerichts Nürnberg um 21:41 Uhr eine Email mit dem Betreff "A+B GbR - Klageeinreichung" ein. Die Email war von der Adresse ≪E@F.de≫ aus versandt worden. In deren Anhang befand sich eine Datei im pdf-Format, welche eine durch E handschriftlich unterzeichnete Klageschrift enthielt.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 20.08.2021 wurde der Klägervertreter ergänzend aufgefordert, im Rahmen der Klagebegründung insbesondere auch eine Stellungnahme zur Frage der Zulässigkeit der per Email erhobenen Klage abzugeben.

Am 29.09.2021 reichte der Klägervertreter Erklärungen für sämtliche Streitjahre ein. Diese waren nicht unterzeichnet und wiesen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus wie folgt:

VZ

Einkünfte der Klägerin zu 3. aus Vermietung und Verpachtung

davon laufend (Verteilung 6 v.H. / 94 v.H.)

davon Abschreibung Altsubstanz (Kläger zu 2.)

davon Abschreibung Anteilserwerb (Kläger zu 2.)

davon Abschreibung Anteilserwerb (Kläger zu 1.)

2014

- 3.249 €

93.054,30 €

- 48.896,25 €

- 36.028,27 €

- 11.377,35 €

2015

- 47.744 €

45.519,88 €

- 48.207,56 €

- 34.245,20 €

- 10.810,15 €

2016

- 3.301 €

63.624,16 €

- 47.777,25 €

- 14.551,95 €

- 4.595,35 €

2017

34.442 €

105.368,44 €

- 47.777,25 €

- 14.551,95 €

- 4.595,35 €

2018

- 91.949 €

- 25.025,06 €

- 47.777,25 €

- 14.551,95 €

- 4.595,35 €

Die Unterscheidung der Abschreibungen in Altsubstanz und Anteilserwerb beruhte auf Anteilserwerben der...

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