Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für eine Änderung eines Umsatzsteuerbescheides nach § 164 Abs. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
Eine Auslegung eines Einspruchs gegen einen Umsatzsteuerfestsetzung als Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht möglich.
Eine Umdeutung der Verfahrenserklärungen von Angehörigen der rechts- oder steuerberatenden Berufe scheidet regelmäßig aus.
Normenkette
AO § 164 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Änderung eines Umsatzsteuerbescheides nach § 164 Abs. 2 AO vorliegen.
Gegenstand des Unternehmens des Klägers war das Aufstellen von Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten.
Am 18.07.2000 reichte der Kläger beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung 1999 ein, die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand (§168 AO). Darin erklärte er zu 16 % steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 280.512 DM, Vorsteuern in Höhe von 32.758,17 DM und errechnete eine Umsatzsteuer in Höhe von 12.123,70 DM.
Am 26.11.2002 ging ein Schreiben des damaligen steuerlichen Vertreters des Klägers vom 22.11.2002 beim Finanzamt ein mit folgendem Wortlaut:
„A B, Cstr., D
Einspruch gegen USt-Bescheid 1999 und 2000
Sehr geehrte Damen und Herren,
namens und im Auftrag unseres Mandanten legen wir gegen die oben genannten Bescheide Einspruch ein.
Begründung:
Der BFH hat noch nicht endgültig darüber entschieden, ob die Umsätze eines Automatenaufstellers mit Geldspielgeräten nach der EG-Richtlinie von der Umsatzsteuer befreit sind. In dieser Sache liegt ein Urteil vom 26.10.2001 des Finanzgerichts Münster (Aktenzeichen 5 K 4280/00) vor. Revision wurde beim BFH in München unter dem Aktenzeichen V R 7/02 eingelegt.
Wir bitten daher um Ruhen des Verfahrens, bis eine höchstrichterliche Entscheidung gefällt wird.
Mit freundlichen Grüßen
E und F
Steuerberatung“
Der Einspruch wurde am 28.11.2002 von der Rechtsbehelfsstelle übernommen und in die Einspruchsliste eingetragen. Der Begleitbogen trägt den Hinweis “Ruhen des Verfahrens beantragt“. Eine weitere Bearbeitung des Einspruchs erfolgte zunächst nicht.
Am 14.10.2005 ging ein Schreiben des derzeitigen steuerlichen Vertreters des Klägers vom 12.10.2005 beim Finanzamt ein mit folgendem Wortlaut:
„A B, Cstr. ,D
Umsatzsteuer
Sehr geehrte Frau G,
bezugnehmend auf unser Telefonat bezüglich unseres o.g. Mandanten und der abgegebenen Umsatzsteuererklärungen erklären wir, dass soweit Einsprüche gegen Umsatzsteuerfestsetzungen erfolgten, diese dem Sinn und Zweck des Antrags nach als Antrag auf Änderung umzudeuten sind, soweit ein Einspruch nicht mehr möglich war.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung
Mit freundlichem Gruß
H I“
Das FA verwarf den Einspruch vom 22.11.2002 aufgrund Versäumung der Einspruchsfrist mit Einspruchsentscheidung vom 27.12.2005 als unzulässig.
Den Antrag vom 12.10.2005 auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO für Umsatzsteuer 1999 lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 09.01.2006 ab. Den dagegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 10.08.2006 als unbegründet zurück.
Die Angaben in der vom Kläger am 02.06.2006 eingereichten berichtigten Umsatzsteuererklärung 1999 berücksichtigte das Finanzamt nicht. Darin erklärte der Kläger zu 16% steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 78.221 DM, steuerfreie Umsätze (Geldspielautomaten) in Höhe von 234.657 DM und Vorsteuern in Höhe von 16.094,77 DM. Die errechnete Umsatzsteuer betrug – 3579,40 DM.
Der Kläger hat Klage erhoben und sinngemäß beantragt, den Ablehnungsbescheid vom 09.01.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.08.2006 aufzuheben und die Umsatzsteuerfestsetzung vom 18.07.2000 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer 1999 entsprechend der am 02.06.2006 eingereichten berichtigten Umsatzsteuererklärung in Höhe von – 3.579,40 DM festgesetzt wird.
Zur Begründung trägt er im wesentlichen Folgendes vor:
Das Schreiben vom 22.11.2002 sei nicht als Einspruch, sondern als Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO auszulegen. Denn aus ihm ergebe sich der Wille, dass der Umsatzsteuerbescheid 1999 angegriffen werden sollte. Eine derartige Auslegung sei hier möglich, denn die Einlegung eines Einspruchs sei zu diesem Zeitpunkt wegen Versäumung der Einspruchsfrist bereits unzulässig gewesen. Es sei anzunehmen, dass er den Rechtsbehelf habe einlegen wollen, der seinem Anliegen am ehesten zum Erfolg verholfen hätte. Zumindest sei eine Umdeutung möglich, da nicht zweifelhaft sei, welches Ziel er habe erreichen wollen und dass er die richtigen Anträge gestellt hätte, wenn er die betreffende verfahrensrechtliche Frage gekannt hätte. Darüber hinaus habe das Finanzamt seine Amtsermittlungs- und Aufklärungspflicht verletzt, da es ihn aufgrund des offensichtlich falsch betitelten Schreibens hätte darauf hinweisen müssen, dass ein Einspruch verspätet sei. Dann wäre es ihm noch möglich gewesen, rechtzeitig den richtigen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO zu stellen. Aufgrund des im Schreiben enthaltenen Antrags auf Ruhen des Verfahrens hä...