Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuweisung des Wegfalls des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten auf Ebene des Feststellungsverfahrens Zuordnung des Wegfallgewinns in die Zeit nach der Insolvenzeröffnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Gewinn des Kommanditisten aus dem Wegfall seines negativen Kapitalkontos gehört zu den gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen.
2. Die Beurteilung, zu welchem Zeitpunkt das negative Kapitalkonto weggefallen ist und dadurch einen Veräußerungsgewinn ausgelöst hat, ist auf Ebene des Feststellungsbescheides allein nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen.
3. Ein Veräußerungsgewinn aus dem Wegfall eines negativen Kapitalkontos entsteht entweder im Rahmen der Aufgabe eines Gewerbebetriebs gem. § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG oder bereits vor Auflösung einer Kommanditgesellschaft, wenn feststeht, dass künftige Gewinnanteile nicht mehr entstehen (§ 52 Abs. 24 Sätze 3 und 4 EStG).
4. Der Umstand, dass sich der negative Saldo des Kapitalkontos des Insolvenzschuldners über einen längeren Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung aufgebaut hat, steht der Zuordnung des Wegfallgewinns in die Zeit nach der Insolvenzeröffnung nicht entgegen.
Normenkette
AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 16
Tatbestand
Strittig ist die Zuordnung des Veräußerungsgewinns aus dem Wegfall eines negativen Kapitalkontos im Rahmen der Einkünfte des Insolvenzschuldners als Kommanditist einer GmbH & Co. KG zu der Zeit vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Der Insolvenzschuldner, Herr B, war im Streitjahr 2017 als Kommanditist an der C GmbH & Co. KG (im Folgenden: GmbH & Co. KG) beteiligt.
Über sein Vermögen wurde am 12.09.2017 vor dem Amtsgericht Stadt 1 (Az.: IN XXX/17) das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Kläger, Herr Rechtsanwalt A, bestellt.
Die GmbH & Co. KG bestand fort und war nicht insolvent. § 13 des Gesellschaftsvertrages sah zwar die Möglichkeit des Ausschlusses eines insolventen Gesellschafters, jedoch diesbezüglich keinen Automatismus vor. Ein entsprechender Gesellschafterbeschluss wurde nicht gefasst, so dass die Beteiligung weiter bestand und Teil der Insolvenzmasse wurde. Die Kommanditbeteiligung wurde am 27.04.2018 aus der Insolvenzmasse freigegeben.
Der Insolvenzschuldner meldete das Gewerbe der GmbH & Co. KG am 08.02.2018 ab und teilte mit, dass der Betrieb zum 31.12.2017 aufgegeben worden sei. Das Unternehmen wurde am 20.01.2020 aus dem Handelsregister gelöscht.
Mit Bescheid vom 28.01.2021 führte das Finanzamt - nach Feststellung der Nichtigkeit einer vorangegangenen Feststellung - eine neuerliche einheitliche und gesonderte Feststellung durch. Darin wurden dem Insolvenzschuldner für das Jahr 2017 anteilige Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 32.323,34 € zugerechnet. Hiervon entfielen 4.387,06 € auf laufende Einkünfte und 27.936,28 € auf den Gewinn aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos, der als tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG behandelt wurde. Diese Feststellungen sind unstreitig.
In einer Anlage zum Feststellungsbescheid wurde die allein streitige Zuordnung des Wegfallgewinns zum Zeitraum vom 12.09. - 31.12.2017 vorgenommen. Dort heißt es:
"Die Besteuerungsgrundlagen dienen teilweise der Anmeldung von Insolvenzforderungen. Es handelt sich hierbei insoweit lediglich um einen ‚informatorischen Bescheid'.
Die im oben angeführten Bescheid festgestellten Einkünfte in Höhe von 32.323,34 € werden wie folgt aufgeteilt:
Insolvenzforderungen |
Masseforderungen |
(vor dem 12.09.2017 entstanden) |
(nach dem 11.09.2017 entstanden) |
laufender Gewinn 4.387,06 € |
Veräußerungsgewinn 27.936,28 € |
4.387,06 € |
27.936,28 €" |
Der Bescheid wurde dem Kläger im Wege der Einzelbekanntgabe nach § 183 Abs. 2 AO bekanntgegeben.
Den Einspruch des Klägers vom 02.02.2021 wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 17.02.2021 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.03.2021 Klage erhoben.
Er ist der Ansicht, dass das auslösende Moment für die steuerliche Verwirklichung weder ein aktives Handeln des Insolvenzverwalters in Form einer Verwertung eines massezugehörigen Vermögensgegenstandes i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 InsO noch in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 InsO begründet worden sei. Aus demUrteil des BFH vom 07.07.2020 X R 13/19 , BFHE 270, 24, BStBl II 2021, 174) gehe eindeutig hervor, dass der BFH nur dann Masseverbindlichkeiten annehme, wenn es um die Verwertung eines Vermögensgegenstandes, der dem Massebeschlag unterliege, gehe. Die Beteiligung an der GmbH & Co. KG habe er, der Insolvenzverwalter, freigegeben. Eine Verwertung habe nicht stattgefunden. Auf Grund des Antrags des Schuldners sei die GmbH & Co. KG liquidationslos vollbeendet und im Handelsregister gelöscht worden.
Die Auflösung des negativen Kapitalkontos, welches hier konkret aus Überentnahmen entstanden sei, sei kein in den Steuergeset...