Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Dienstleistungsgeschäften

 

Leitsatz (redaktionell)

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach - deren Höhe zudem ungewiss sein kann - sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag.

Eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten setzt weiter eine Verpflichtung gegenüber einem anderen, also eine (Außen-)Verpflichtung voraus.

Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 4a S. 1, § 52 Abs. 13 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 08.06.2010; Aktenzeichen X B 126/09)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger zu Recht „Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Dienstleistungsgeschäften“ gebildet hat.

Der Kläger wurde in den Streitjahren 2000 bis 2003 mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Aus dem Betrieb eines Inkassobüros erklärte er Gewinne i.H.v. 142.123 DM (2000), 69.966 DM (2001), 25.760 € (2002) und 13.647 € (2003). Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich, § 4 Abs. 1 EStG.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2000 und 2001 zunächst mit Bescheiden vom 13.05.2002 bzw. 12.08.2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Einkünfte aus dem Inkassobüro berücksichtigte es im Jahr 2000 i.H.v. 144.387 DM und im Jahr 2001 i.H.v. 69.966 DM.

In der Zeit vom 11.11.2003 bis zum 13.02.2004 fand beim Kläger für die Jahre 1999 bis 2001 eine Außenprüfung statt. U.a. erkannte der Prüfer bei den Einkünften des Klägers aus dem Inkassounternehmen gebildete Rückstellungen für drohende Verluste i.H.v. 456.600 DM (2000) bzw. 509.250 DM (2001) nicht an (vgl. Tz. 1.3 und 1.10 Betriebsprüfungsbericht). Nach Auffassung der Betriebsprüfung verstieß die zum 31.12.1998 erstmals i.H.v. 535.900 DM passivierte Rückstellung gegen zwingende Vorschriften des Einkommensteuerrechts. Demzufolge war der falsche Bilanzansatz in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch geändert werden könne (= Bilanz zum 31.12.2000), richtig zu stellen. Eine Verteilung auf 6 Jahre gemäß § 52 Abs. 6a Satz 2 EStG (Fn.: jetzt § 52 Abs. 13 Satz 2 EStG) kam nicht in Betracht, weil es sich um keine zulässigerweise vor dem 01.01.1997 gebildete Rücklage handelte.

Aufgrund der Prüfungsergebnisse erließ das Finanzamt am 10.11.2004 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001. Es setzte die Einkommensteuer 2000 unter Berücksichtigung von Einkünften aus dem Inkassobüro i.H.v. 654.531 DM auf 121.273,32 € (entspricht 237.190 DM) herauf. Die Einkommensteuer 2001 setzte es unter Ansatz von Einkünften aus dem Inkassobüro i.H.v. 142.254 DM auf 2.353,48 € (entspricht 4.603 DM) fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.

Mit Einspruch wandte sich der Kläger gegen die Nichtanerkennung der Rückstellungen in den geänderten Einkommensteuerbescheiden 2000 und 2001 vom 10.11.2004. Es handle sich --entgegen der Bezeichnung in der Bilanz-- nicht um Rückstellungen für drohende Verluste, sondern für „ungewisse Verbindlichkeiten“, nämlich für auf den Kläger zukommende Aufwendungen, bei denen lediglich Unsicherheit hinsichtlich der jeweiligen Höhe bestehe. Es gehe dabei um Fälle, in denen ausgebuchte und derzeit uneinbringliche Forderungen auf reiner Erfolgsbasis an den Inkassounternehmer übergeben würden (sog. „E-Fälle“). In diesen Fällen sage der Kläger dem Inhaber der Forderung zu, die „Forderung zu verfolgen und vom Ertrag einen gewissen Anteil auszukehren“. Der Auftraggeber trage kein Kostenrisiko und habe keinerlei Zahlungen zu leisten.

Rückstellungen seien hier mindestens in der Höhe zu bilden, in der voraussehbar Aufwendungen für Porti, behördliche Kosten etc. zu erwarten seien. Diesen Aufwendungen stünden häufig erst nach Jahren Erträge gegenüber. Es sei unverantwortlich und mit kaufmännischen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, nicht wenigstens für die voraussichtlichen Aufwendungen an Dritte Rückstellungen zu bilden. - Für anteilig anfallende Raum-, Personal- und Sachkosten sei dagegen keine Rückstellung gebildet worden.

Der zukünftige Aufwand sei auch bereits im abgelaufenen Wirtschaftsjahr, in dem die Rückstellung gebildet worden sei, wirtschaftlich verursacht worden. Der Kläger habe im Prüfungszeitraum eine größere Zahl uneinbringlicher Forderungen von einer Bank übernommen.

Schon aus der enormen wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Steuerpflichtigen ergebe sich, dass „wesentlicher Aufwand“ vorliege.

Am 25.02.2005 wurde der Einkommensteuerbescheid 2001 im laufenden Einspruchsverfahren aufgrund einer nachgereichten Steuerbescheinigung nach §§ 44 KStG 1999, 45 a EStG nochmals geändert, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Ei...

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