Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Anerkennung von „Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Dienstleistungsgeschäften“
Leitsatz (redaktionell)
Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach - deren Höhe zudem ungewiss sein kann - sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag.
Eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten setzt weiter eine Verpflichtung gegenüber einem anderen, also eine (Außen-)Verpflichtung voraus.
Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 4a S. 1, § 52 Abs. 13 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Anerkennung von „Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Dienstleistungsgeschäften“.
Der Kläger unterliegt mit den Gewinnen aus dem Betrieb eines Inkassobüros, die er durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, der Gewerbesteuer. Er erklärte daraus einen gewerblichen Gewinn i.H.v. 142.123 DM für 2000 und i.H.v. 69.966 DM für 2001.
Mit Bescheid vom 13.05.2002 setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für 2000 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf Null Euro fest. Dabei berücksichtigte es einen Gewinn aus dem Inkassobüro i.H.v. 144.387 DM.
Ebenfalls mit Bescheid vom 13.05.2002 stellte es den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2000 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesondert auf 201.644 DM fest.
Mit Bescheid vom 12.08.2003 setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für 2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf Null Euro fest. Dabei berücksichtigte es den Gewinn aus dem Inkassobüro wie erklärt i.H.v. 69.966 DM.
In der Zeit vom 11.11.2003 bis zum 13.02.2004 fand beim Kläger für die Jahre 1999 bis 2001 eine Außenprüfung statt. U.a. erkannte der Prüfer bei den Einkünften des Klägers aus dem Inkassounternehmen gebildete Rückstellungen für drohende Verluste i.H.v. 456.600 DM (2000) bzw. 509.250 DM (2001) nicht an (vgl. Tz. 1.3 und 1.10 Betriebsprüfungsbericht). Nach Auffassung der Betriebsprüfung verstieß die zum 31.12.1998 erstmals i.H.v. 535.900 DM passivierte Rückstellung gegen zwingende Vorschriften des Einkommensteuerrechts. Demzufolge war der falsche Bilanzansatz in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch geändert werden könne (= Bilanz zum 31.12.2000), richtig zu stellen. Eine Verteilung auf 6 Jahre gemäß § 52 Abs. 6a Satz 2 EStG (Fn.: jetzt § 52 Abs. 13 Satz 2 EStG) kam nicht in Betracht, weil es sich um keine zulässigerweise vor dem 01.01.1997 gebildete Rücklage handelte.
Aufgrund der Prüfungsergebnisse erließ das Finanzamt am 10.11.2004 u.a. jeweils nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2000 und 2001 und einen ebenfalls nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.
Das Finanzamt setzte den Gewerbesteuermessbetrag 2000 unter Berücksichtigung eines Gewinnes aus dem Inkassobüro i.H.v. 654.531 DM auf 6.227,54 € (entspricht 12.180 DM) herauf.
Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 stellte es fest, dass eine gesonderte Feststellung nach § 10a GewStG nicht durchzuführen sei, weil ein vortragsfähiger Gewerbeverlust nicht bestehe.
Den Gewerbesteuermessbetrag 2001 setzte das Finanzamt unter Ansatz eines Gewinnes aus dem Inkassobüro i.H.v. 166.819 DM auf 513,85 € (entspricht 1.005 DM) herauf.
Gegen die geänderten Gewerbesteuermessbescheide und den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000, jeweils vom 10.11.2004, legte der Kläger - wie auch gegen die ebenfalls aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung geänderten Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 Einspruch ein.
Er wandte sich gegen die Nichtanerkennung der Rückstellungen und damit die Erhöhung des Gewinns aus Gewerbebetrieb.
Es handle sich --entgegen der Bezeichnung in der Bilanz-- nicht um Rückstellungen für drohende Verluste, sondern für „ungewisse Verbindlichkeiten“, nämlich für auf den Kläger zukommende Aufwendungen, bei denen lediglich Unsicherheit hinsichtlich der jeweiligen Höhe bestehe. Es gehe dabei um Fälle, in denen ausgebuchte und derzeit uneinbringliche Forderungen auf reiner Erfolgsbasis an den Inkassounternehmer übergeben würden (sog. „E-Fälle“). In diesen Fällen sage der Kläger dem Inhaber der Forderung zu, die „Forderung zu verfolgen und vom Ertrag einen gewissen Anteil auszukehren“. Der Auftraggeber trage kein Kostenrisiko und habe keinerlei Zahlungen zu leisten.
Rückstellungen seien hier mindestens in der Höhe zu bilden, in der voraussehbar Aufwen...