Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe eines Steuerbescheides an den Bevollmächtigten
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Steuerpflichtige oder sein Bevollmächtigter dem Finanzamt gegenüber mitgeteilt, dass zur Entgegennahme der Steuerbescheide auch der Bevollmächtigte ermächtigt sein soll, dann sind die Steuerbescheide grundsätzlich dem Bevollmächtigten bekannt zu geben. Wenn im Einzelfall jedoch besondere Gründe gegen die Bekanntgabe des Steuerbescheides an den Bevollmächtigten sprechen kann der Steuerbescheid auch unmittelbar dem Steuerpflichtigten bekannt gegeben werden.
Normenkette
AO §§ 80, 110 Abs. 1-3, §§ 122, 124
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der im Klageverfahren ergangenen Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1997.
Der Rechtsstreit befindet sich im 2. Rechtsgang. Der Kläger wurde mit seinem Ehegatten in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Er erzielte als Versicherungskaufmann Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Gewinn wurde nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Daneben bezogen die Ehegatten aus verschiedenen Grundstücken in... und ... Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger ist geh- und stehbehindert.
Die (steuerlich vertretenen) Ehegatten gaben - trotz Erinnerung und Schätzungsandrohungen des Finanzamts - keine Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre ab. Das Finanzamt schätzte deshalb die Besteuerungsgrundlagen, und zwar in Anlehnung an die Angaben in der Einkommensteuererklärung 1994. Mit Bescheiden vom 24.06.1998 setzte es die Einkommensteuer 1995 auf 21.486 DM und die Einkommensteuer 1996 auf 22.476 DM fest. Mit Bescheid vom 26.10.1999 wurde die Einkommensteuer 1997 - ebenfalls im Schätzungswege - auf 25.214 DM festgesetzt. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO 1977).
Mit Bescheiden vom 16.12.1998 hob das Finanzamt für die Einkommensteuer 1995 und 1996 den Vorbehalt der Nachprüfung auf (§ 164 Abs. 3 AO 1977). Die betreffenden Steuerbescheide wurden dem steuerlichen Vertreter der Kläger, Steuerberater ... bekannt gegeben. Dieser hatte die Eheleute seit 1991 dem Finanzamt gegenüber steuerlich vertreten. Mit Schreiben vom 20.07.1999 zeigte er dem Finanzamt die Niederlegung des Mandats an.
Mit Bescheid vom 28.09.2000 hob das Finanzamt auch den Vorbehalt der Nachprüfung für den Einkommensteuerbescheid 1997 auf. Dieser Steuerbescheid wurde dem Kläger unmittelbar bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 28.02.2001 legte der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 Einspruch ein und beantragte wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er erklärte, erkrankt gewesen zu sein,, so dass er seinen steuerlichen Pflichten nicht habe nachkommen können. Ein ärztliches Attest legte er nicht vor.
Am 21.09.2001 reichte der Kläger persönlich die Einkommensteuererklärungen 1995 bis 1997 beim Finanzamt ein. Gleichzeitig erklärte er zur Niederschrift des Finanzamts, dass er mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung 1995 auch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 eingelegt.
Im Laufe des Rechtsbehelfsverfahrens trug der Kläger u.a. vor, die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 nicht erhalten und von ihrem Inhalt erstmals am 21.09.2001 Kenntnis genommen zu haben, nachdem ihm das Finanzamt Kopien der Bescheide ausgehändigt habe. Zudem habe er nach Erhalt des Einkommensteuerbescheids 1997 vom zuständigen Sachbearbeiter die Auskunft erhalten, dass ein vorläufiger Bescheid ergangen sei. Hierauf habe er vertraut und die Einlegung des Einspruchs zunächst unterlassen.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Einsprüche gegen die Steuerbescheide wurden - weil verspätet - vom Finanzamt als unzulässig verworfen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt. Auf die Einspruchsentscheidung vom 03.04.2002 wird verwiesen.
II.
Der Kläger erhob hiergegen Klage. Das Finanzamt erließ im Laufe des Klageverfahrens nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre und berücksichtigte dabei den Pauschbetrag für Behinderte sowie Fahrtkosten für Behinderte nach § 33 EStG. Mit Bescheiden vom 03.07.2002 wurde die Einkommensteuer 1995 auf 20.946 DM, die Einkommensteuer 1996 auf 21.914 DM und die Einkommensteuer 1997 auf 24.640 DM herabgesetzt. Diese Steuerbescheide sind Gegenstand des Klageverfahrens.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers begründeten die Klage u.a. damit, dass das Finanzamt zu Unrecht dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen. Stand versagt habe. Dieser habe wegen entschuldbaren Rechtsirrtums die Änderungsmöglichkeit von Steuerbescheiden verkannt und deshalb die Einspruchsfrist versäumt. Er sei sich über den Begriff des "Vorbehalts der Nachprüfung" nicht im Klaren gewesen. In der Sache seien die Schätzungsbescheide 1995 bis 1997 fehlerhaft. Das Finanzamt habe die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit positiven Beträgen geschätzt, obwohl tatsächlich in den Streitjahren Verluste au...