Entscheidungsstichwort (Thema)

Umzugskosten wegen Verkürzung der Fahrstrecke als Werbungskosten?

 

Leitsatz (redaktionell)

Beträgt die durch den Umzug erreichte Fahrzeitersparnis weniger als arbeitstäglich 1 Stunde, so kann auch eine erhebliche Verkürzung des Weges zur Arbeitsstätte nicht an Stelle oder zusätzlich zur Zeitersparnis die nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung des Umzugs begründen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die mit einem Wohnungswechsel verbundenen Umzugskosten beruflich veranlaßt sind und damit Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellen.

Der Kläger erzielte als Diplom-Ingenieur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Beschäftigungsort war R. Außerdem erzielte der Kläger Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (Lehrtätigkeit am Bildungszentrum N).

Die Kläger bewohnten bis Februar 1997 eine Mietwohnung in F und bezogen danach ein eigenes Einfamilienhaus in S. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte in R verringerte sich dadurch von 29 km auf 6 km. Die durch den Umzug entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 12.542 DM machte der Kläger als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt versagte den Werbungskostenabzug mit der Begründung, daß die Zeitersparnis durch den Umzug täglich weniger als 1 Stunde betrage und die Aufwendungen deshalb nicht beruflich veranlaßt seien (Einkommensteuerbescheid 1997 vom 17. 3. 1999). Im Einspruchsverfahren wurde geltend gemacht, der Umzug von F nach S sei beruflich veranlaßt, da der Kläger nunmehr 46 km täglich weniger zurückzulegen habe und sich dadurch eine Zeitersparnis von über 1 Stunde pro Tag ergebe. Er habe bisher in F durch die gesamte Ortschaft fahren müssen, um zur Autobahn zu gelangen. Zu den Stoßzeiten hätte es im Ort täglich Staus gegeben. Zudem habe auf der Autobahn sehr hohes Verkehrsaufkommen geherrscht, das sich seit der Wiedervereinigung noch verstärkt habe. Die Abfahrt von der Autobahn in M, die nun nicht mehr befahren werden müsse, sei ebenfalls problematisch gewesen, so daß es dort zu mehrminütigen Wartezeiten gekommen sei. Somit habe sich die Dauer der täglichen Hin- und Rückfahrt insgesamt wenigstens zeitweise um mindestens 1 Stunde ermäßigt.

Im Einspruchsverfahren versuchte das Finanzamt, die durch die geringere Entfernung zur Arbeitsstätte des Klägers eingetretene Zeitersparnis dadurch zu ermitteln, daß es die vom Kläger vor dem Umzug benutzte Strecke abfahren ließ. Dabei ergab sich, daß die Strecke zwischen F und S in 17 Minuten zurückgelegt werden konnte. Auf der Autobahn war lebhafter Verkehr, sämtliche drei Fahrbahnen waren belegt. Die Fahrzeit zwischen X-Weg und F-Straße - eine Strecke die der Kläger auch heute noch auf dem Weg zur Arbeitsstätte zurücklegen muß - betrug ca. 2 Minuten. Daraus ermittelte das Finanzamt eine ersparte Fahrzeit pro einfacher Fahrt von ca. 15 Minuten.

Das Finanzamt wies die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück und führte in der Einspruchsentscheidung aus, die Umzugskosten seien wie das Bewohnen einer Wohnung selbst dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Der Ausnahmefall, daß aufgrund einer wesentlichen Verkürzung der täglichen Fahrzeit (nach der Rechtsprechung 1 Stunde täglich regelmäßig) für den Wohnungswechsel eine entscheidende berufliche Veranlassung gegeben sei, liege nicht vor. Die Zeitersparnis betrage nach den Ermittlungen lediglich täglich ca. 30 Minuten. Auch wenn man unterstelle, daß es in Stoßzeiten zu weiteren Verzögerungen gekommen sein könne, werde eine Fahrzeitverkürzung von 1 Stunde täglich regelmäßig nicht einmal teilweise erreicht worden sein. Dies werde vor allem anhand folgender Berechnung deutlich:

Fahrstrecke (einfach)

Durchschnittsgeschwindigkeit

Fahrzeit

(F) 3 km

20 km/h

9 Min.

(Autobahn) 21 km

100 km/h

12,6 Min.

21,6 Min.

Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger vorgetragen: Wesentlicher Grund für die Entscheidung zum Umzug sei einer Verkürzung des Arbeitsweges von 29 km auf 6 km, verbunden mit einer Zeitersparnis von insgesamt über 1 Stunde Fahrzeit, gewesen. Dies habe sich aus den im Streitjahr herrschenden Verkehrsverhältnissen ergeben. Die vom Finanzamt nach über 1 1/2 Jahren im Nachinein durchgeführten Ermittlungen würden dem im Jahre 1997 gegebenen Sachverhalt nicht gerecht. So sei jetzt durch den Bau der Umgehungsstraße in F im Jahr 1998 die zum Umzugszeitpunkt bestehende chronische Staubildung in und um F beseitigt worden. Der vom Finanzamt ermittelte „stehende Verkehr“ sei mit der katastrophalen (Berufs-)Verkehrssituation zum Umzugszeitpunkt absolut nicht vergleichbar, denn erst durch die Umgehungsstraße sei das Verkehrsaufkommen in F drastisch reduziert worden.

Ferner sei durch die neu eingeführte Ampelregelung an der Autobahnausfahrt S ein Brennpunkt in der berufsalltäglichen Stausituation entschärft worden. Schließlich sei im Jahre 1997 die Autobahn in Höhe der Ortschaft Y wegen umfangreicher Ausbaumaßnahmen im Rahmen des Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ stä...

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