Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen eines Umsatzsteuererstattungsanspruchs durch Aufrechnung
Leitsatz (redaktionell)
Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten gem. § 226 Abs. 1 AO die Vorschriften des BGB sinngemäß unter Berücksichtigung etwaiger steuerrechtlicher Besonderheiten. Gem. § 387 BGB setzt die Aufrechnung voraus, dass der Anspruch und der Gegenanspruch zwischen denselben Personen bestehen (Gegenseitigkeit), die Ansprüche ihrem Gegenstand nach gleichartig sind (Gleichartigkeit), die Hauptforderung erfüllbar (Erfüllbarkeit) und die Gegenforderung fällig (Fälligkeit) ist. Die Aufrechnung setzt daher voraus, dass zwei Personen einander Leistungen schulden und der Aufrechnende die ihm gebührende Leistung einerseits fordern und andererseits die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Weiter muss eine wirksame Aufrechnungserklärung vorliegen (§ 388 BGB).
Normenkette
AO §§ 47, 226 Abs. 1; BGB §§ 387-388
Tatbestand
Streitig ist, ob der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch aus dem Voranmeldungszeitraum 1. Quartal 2007 in Höhe von ./. 18.548,83 € durch Aufrechnung erloschen ist.
Der Kläger betrieb ab 1986 gemeinsam mit seinem Vater einen Transportbetrieb für Luftfracht, Termin- und Eilsendungen sowie Kurierfahrten in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Seit 01.11.1998 betreibt er einen forstwirtschaftlichen Lohnbetrieb als Forstmaschinenführer.
Da der Kläger für die Jahre 1986 bis 1996 sowie 1998 keine Steuererklärungen einreichte, ermittelte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen jeweils im Schätzungswege gem. § 162 AO. Die von den zuständigen Finanzämtern C, D und E seit 1989 betriebene Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Klägers wegen geschuldeter Einkommen- und Umsatzsteuer blieb im Wesentlichen ohne Erfolg.
Am 08.05.2007 reichte der Kläger bei dem seit Januar 2005 zuständigem Finanzamt B. eine Umsatzsteuervoranmeldung für den Anmeldungszeitraum 1. Quartal 2007 ein, die einen Erstattungsbetrag in Höhe von 18.548,83 € auswies. Das Finanzamt stimmte der Erstattung am 22.05.2007 mit Wert 08.05.2007 (Eingangsdatum der UStVA) zu und erklärte mittels dem Kläger zugesandter Umbuchungsmitteilung die Aufrechnung mit Steuerforderungen aus den Jahren 1986 bis 2006 in voller Höhe.
Gegen den vom Finanzamt gem. § 218 Abs. 2 AO erlassenen Abrechnungsbescheid vom 29.11.2007 legte der Kläger Einspruch ein und trug vor, dass die Steuerforderungen im Zeitpunkt der Aufrechnung bereits verjährt gewesen seien. Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 04.04.2008 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Abrechnungsbescheid des Finanzamts B. vom 29.11.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.04.2008 dahin zu ändern, dass wegen der Umsatzsteuererstattung für das erste Quartal 2007 ein Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 18.548,83 € ausgewiesen wird.
Zur Begründung trägt er vor:
Die vom Finanzamt erklärte Aufrechnung sei rechtswidrig, weil die Steuerforderungen verjährt seien. Die Maßnahmen des Finanzamts hätten die Zahlungsverjährung nicht wirksam unterbrochen.
Die Pfändung vom 30.08.1993 gegenüber F über einen Betrag in Höhe von 25.535,28 DM sei unwirksam, da er zu diesem Zeitpunkt kein Konto bei F unterhalten habe. Eine Pfändung gegenüber einem lediglich vermeintlichen Drittschuldner sei von Anfang an nichtig. Nichtige Vollstreckungsmaßnahmen seien jedoch nicht geeignet, eine Verjährungsunterbrechung herbeizuführen.
Die fruchtlose Pfändung des Finanzamts E vom 10.01.1994 über 10.586,84 DM sei unwirksam, da er keine Kenntnis über die Durchführung irgendwelcher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen habe. Ein entsprechendes Schreiben sei ihm nicht zugegangen.
Die Zahlungsaufforderung vom 18.01.1994 über 26.045,91 DM habe er nicht erhalten. Auch die Vollstreckungsankündigung vom 30.08.1999 über 42.954,97 DM sei ihm nicht zugegangen.
Die Lohnpfändung vom 03.08.2000 gegenüber der Firma Z GmbH habe die Verjährung nicht unterbrechen können, da er lediglich vom 20.05.1996 bis 30.11.1998 dort beschäftigt gewesen sei. Im Zeitpunkt der Lohnpfändung hätten gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber keine Ansprüche mehr bestanden. Von der Lohnpfändung habe er keine Kenntnis erhalten.
Die Pfändung vom 17.05.2005 gegenüber der V über 30.053,89 € habe sich auf einen nicht existenten Anspruch bezogen, denn das dortige Konto habe er nur bis 2004 unterhalten.
Die Aufrechnung könne nur auf eine Gegenforderung gestützt werden, wenn diese bei Eintritt der Aufrechnungslage noch unverjährt gewesen sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn die Umsatzsteuervoranmeldung vom 08.05.2007 sei beim Finanzamt eingegangen, als die obigen Steuerforderungen bereits verjährt gewesen seien.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor:
Die vorgenommene Aufrechnung sei rechtmäßig. Die Steuerforderungen seien im Zeitpunkt der Aufrechnung nicht verjährt gewesen, weil wiederholt verjährungsunterbrechende ...