Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines bereits bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids bei falscher Angabe auf der Anlage AV („Riester-Rente“) einer Elster-Einkommensteuererklärung bei schwer verständlicher Anleitung
Leitsatz (redaktionell)
Die nicht vorgenommene Kenntnisnahme der Erläuterungen zur Zeile 11 der Anleitung zur Anlage AV („Riester-Rente“) der Einkommensteuererklärung 2011, in der ausdrücklich erklärt wird, dass geringfügig beschäftigte Personen zum unmittelbar begünstigten Personenkreis zählen, wenn sie auf die Versicherungsfreiheit verzichtet haben, ist bei einem nicht durch einen Steuerberater beratenen Steuerpflichtigen nicht als grobe Fahrlässigkkeit im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzusehen, da diese Ausführungen erst unter der Überschrift „Berechnungsgrundlagen – Zeile 11“ der Anleitung zur Anlage AV stehen, der Steuerpflichtige aber bereits bei Zeile 10 der Anlage AV für sich selbst (Kennziffer 106) und seinen Ehegatten (Kennziffer 306) durch Eintragung einer „1“ anzugeben hat, ob für das Jahr 2011 eine unmittelbare Begünstigung besteht.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 10a Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Änderungsmöglichkeit für die bereits bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 besteht, wenn auf der Anlage AV ("Riester-Rente") einer Elster-Einkommensteuererklärung von den Klägern zur Art der Begünstigung falsche Eingaben gemacht wurden ("mittelbar" anstatt "unmittelbar" begünstigt).
Die verheirateten Kläger wurden für die Streitjahre 2011 und 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte neben gewerblichen Einkünften aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage und Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als kaufmännischer Angestellter auch solche aus Vermietung und Verpachtung aus mehreren Mietobjekten sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Klägerin erzielte keine steuerpflichtigen Einkünfte. Für die am 16.03.1994 (Sohn D) und 27.10.1996 (Sohn E) geborenen Kinder wurde den Klägern Kindergeld in Höhe von jeweils 2.208 € für jedes Kind und Streitjahr ausgezahlt.
I.
Beide Kläger hatten im Jahr 2009 sog. Riester-Verträge bei der Bank 1, F am Main, abgeschlossen und leisteten in den Streitjahren folgende Altersvorsorgebeiträge, die in der vom Anlageninstitut auf elektronischem Wege an die Finanzverwaltung übermittelten Höhe von den Klägern in ihrer Steuererklärung angegeben wurden:
2011 2012 Kläger 1.957 € 1.957 € Klägerin 1.586 € 1.586 €
In der am 17.10.2012 übermittelten Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2011 wurde von den Klägern auf der Anlage AV bei der Kennziffer 306 (Ehefrau) jeweils der Wert "2" (= mittelbar begünstigt) eingegeben. Diese Angabe wurde vom Finanzamt der Einkommensteuerfestsetzung zu Grunde gelegt. Eine Eintragung zu den Kindern erfolgte auf der Anlage AV laut Aktenlage nicht. Der Einkommensteuerbescheid 2011 ging am 04.12.2012 - weder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abgabenordnung (AO) noch mit einem Vorläufigkeitsvermerk zu den Altersvorsorgebeiträgen versehen - mit einfachem Brief zur Post. Das Finanzamt ging im Rahmen der nach § 10a Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) vorzunehmenden Günstigerprüfung davon aus, dass der Zulagenanspruch der Kläger in Höhe von 678 € günstiger ist, als der Sonderausgabenabzug. Der Sonderausgabenabzug wurde demzufolge versagt, § 10a Abs. 2 Satz 2 EStG.
Dem aus anderen Gründen hiergegen erhobenen Einspruch konnte mit Änderungsbescheid vom 30.12.2013 abgeholfen werden.
Auch in der am 06.10.2013 übermittelten Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2012 wurde von den Klägern auf der Anlage AV bei der Kennziffer 306 (Ehefrau) jeweils der Wert "2" (= mittelbar begünstigt) eingegeben und der Festsetzung zu Grunde gelegt. Eine Eintragung zu den Kindern erfolgte auf der Anlage AV laut Aktenlage nicht. Mit Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 19.12.2013 wurden die Kläger zur Einkommensteuer 2012 veranlagt. Es wurde weder ein Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO noch ein Vorläufigkeitsvermerk zu den Altersvorsorgebeiträgen aufgenommen. Das Finanzamt gewährte im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 10a Abs. 2 EStG einen auf 2.160 € begrenzten Sonderausgabenabzug, da dieser günstiger war, als der Zulagenanspruch in Höhe von 308 €. Den Anspruch auf die Kinderzulage berücksichtigte das Finanzamt nicht.
Der hiergegen aus anderen Gründen erhobene Einspruch wurde mit Schreiben vom 19.01.2014 wieder zurückgenommen.
II.
Mit Schreiben vom 13.08.2014 teilten die Kläger im Hinblick auf die Angaben zur Riester-Rente mit, dass die Klägerin als geringfügig Beschäftigte unmittelbar begünstigt sei, da sie auf die Sozialversicherungsfreiheit verzichtet habe (sog. Aufstocker). Die Annahme, dass die Klägerin mittelbar zulagenberechtigt sei, sei nicht zutreffend. Die Kläger beantragten daher, die Einkommensteuerbescheide der Vorjahre zu berichtigen.
Mit Bescheid vom 26.08.2014 wurde der Antrag auf Änderung der Einkommensteuerbescheide vom Finanzamt mit der Begründ...