rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgebeiträge bei fehlender Vorlage der Anlage AV
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Anlage AV zur Einkommensteuererklärung abgegeben hat. Die Vorlage der elektronisch übermittelten Informationen über die von den Klägern geleisteten Altersvorsorgebeiträge ohne eine ausgefüllte Anlage AV reicht nicht aus, damit der Beklagte eindeutig erkennen kann, dass in dem vorliegenden Fall eine Günstigerprüfung gemäß § 10a Abs. 2 EStG mit dem Ergebnis eines Sonderausgabenabzugs hätte durchgeführt werden müssen. Wird in solchen Fällen vom Finanzamt der Sonderausgabenabzug nicht durchgeführt, scheidet nach Bestandskraft des Bescheides eine Korrektur aus.
2. Auch ein Steuerpflichtiger dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, muss im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten, um eine grobe Fahrlässigkeit für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO auszuschließen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind.
Normenkette
EStG §§ 10a, 10; AO §§ 129, 173, 175b
Streitjahr(e)
2012, 2013, 2014, 2015
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Einkommensteuerbescheide im Hinblick auf die Berücksichtigung von Altersvorsorgebeiträgen noch änderbar sind.
Die Kläger wurden in den Streitjahren 2012 bis 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger leisteten in den Streitjahren Altersvorsorgebeiträge i.S.d. § 82 Einkommensteuergesetz - EStG -. In den Streitjahren hatten die Kläger auch eine Einwilligung zur Datenübermittlung gemäß § 10a Abs. 2a EStG abgeben. Die entsprechenden Daten lagen dem FA im Zeitpunkt der Veranlagung vor. Die Kläger hatten jedoch den Steuererklärungen für die Streitjahre keine Anlagen AV beigefügt.
Die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre wurden zu folgenden Daten erlassen:
2012: 23.07.2014 (geändert durch Bescheid vom 18.05.2015)
2013: 08.10.2014
2014: 03.09.2015
2015: 02.08.2016.
Ein Sonderausgabenabzug für die Altersvorsorgebeiträge wurde nicht gewährt. Die Bescheide wurden mit Ablauf der Rechtsbehelfsfristen bestandskräftig.
Mit beim beklagten Finanzamt - FA - am 29.01.2018 eingegangenen Schreiben stellten die Kläger Anträge auf Änderung nach § 129 Abgabenordnung - AO - hinsichtlich der erstmaligen Berücksichtigung von Sonderausgaben gemäß § 10a EStG. Zur Begründung trugen die Kläger vor, dass die in § 10a Abs. 2 Satz 3 EStG i.d.F. der Streitjahre vorgesehene Günstigerprüfung durch die Finanzverwaltung nicht erfolgt sei. In den Erläuterungen des Einkommensteuerbescheids für 2015 sei sogar festgehalten, dass Beiträge zu einer zusätzlichen Altersvorsorge in der vom Anbieter elektronisch übermittelten Höhe angesetzt worden seien, was tatsächlich jedoch nicht erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 31.01.2018 lehnte das beklagte FA die Anträge auf Änderung ab. Der Beklagte begründete die Ablehnung damit, dass die amtlichen Steuererklärungsvordrucke für den Sonderausgabenabzug entsprechende Angaben in der Anlage AV verlangten und auch die einschlägige Verwaltungsanweisung (vgl. Bundesministerium der Finanzen - BMF - v. 24.07.2013, Bundessteuerblatt - BStBl. - I 2013, 1022, Rz. 96) zur Voraussetzung der Günstigerprüfung einen entsprechenden Antrag in der Anlage AV machten. Ein solcher Antrag sei jedoch in den elektronisch übermittelten Steuererklärungen der Kläger nicht vorhanden gewesen. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 129 AO nicht vor. Zwar könne die Vorschrift auch in den Fällen angewendet werden, in denen sich ein Fehler aus den Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung ergebe. Die Anwendbarkeit des § 129 AO sei jedoch hierbei auf solche Fälle beschränkt, bei denen die Fehlerhaftigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen dem FA als offenbare Unrichtigkeit erkennbar gewesen sei, was hier nicht der Fall sei. Weitere Korrekturvorschriften kämen nicht in Betracht.
Mit beim beklagten FA am 02.03.2018 eingegangenen Schreiben legten die Kläger Einsprüche gegen die Ablehnung der Änderungsanträge ein. Zur Begründung trugen sie vor, dass der Sonderausgabenabzug des § 10a EStG ausweislich des Gesetzeswortlautes weder einen Antrag des Steuerpflichtigen noch die Beifügung der ausgefüllten Anlage AV verlange. Erforderlich sei nach der Norm vielmehr nur die Zustimmung der Steuerpflichtigen zur elektronischen Übertragung ihrer Daten. Diese Zustimmung der Kläger habe aber vorgelegen und somit seien die relevanten Daten der Finanzverwaltung auch bekannt gewesen. Aus § 10a Abs. 2 Satz 3 EStG ergebe sich darüber hinaus unmissverständlich, dass die Günstigerprüfung von Amts wegen vorgenommen werde und kein Antrag des Steuerpflichtigen verlangt werde. Außerdem sei bereits bei der Einkommensteuerveranlagung 2011 eine Gün...