Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Vereinbarung für die Erbringung von Kinderbetreuungsleistungen zwischen Angehörigen und an deren Durchführung
Leitsatz (amtlich)
1. Dienstleistungen durch Angehörige können mit steuerlicher Wirkung Kinderbetreuungsleistungen im Sinne der Nr. 5 sein, wenn den Leistungen eine klare und eindeutige Vereinbarung zugrunde liegt, die zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist, inhaltlich dem zwischen fremden Dritten entspricht und tatsächlich so durchgeführt wird.
2. Unschädlich ist hierbei der Umstand, dass die Betreuungspersonen, im Streitfall die Großeltern, die eigentlichen Betreuungsleistungen unentgeltlich erbracht haben und mit den Klägern lediglich Vereinbarungen über den Ersatz der Fahrtkosten getroffen haben, die ihnen im Zusammenhang mit der Betreuung der Kinder entstanden sind.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit und Kapitalvermögen. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung.
Mit Einreichung der Einkommensteuererklärung machten die Kläger für 2015 Kinderbetreuungskosten für die Betreuung der am 09.06.2009 geborenen Tochter T in Höhe von insgesamt 6.275,30 € und für den am 07.04.2000 geborenen S i.H.v. 5.900 € geltend. Der Betrag setzt sich zusammen aus Kindergartengebühren für T i.H.v. 375,20 € und Aufwendungen für Fahrten der Großeltern i.H.v. 11.800 €, die zu 50 % für jedes Kind angesetzt wurden.
Der Steuererklärung lagen Aufstellungen für Fahrten von H nach J und zurück nach H mit 554 km mit einem Ansatz von 0,30 € je gefahrenen Kilometer für die Jahre 2010 (25 Fahrten x 554 km x 0,30 € = 4.155 €), für 2011 (21 Fahrten x 554 km x 0,30 € = 3.490,20 €), 2012 (25 Fahrten x 554 km x 0,30 € = 4.155 €) bei. Die undatierten Aufstellungen sind von beiden Klägern dem Zeugen Y und Z unterschrieben.
Das Finanzamt hat mit Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 14.11.2016 von den geltend gemachten Kinderbetreuungskosten Sonderausgaben nur in Höhe von 250 € für T (2/3 von 375 €) gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zum Abzug zugelassen hat. Die den Großeltern der Kinder für die Kinderbetreuung erstatteten Fahrtkosten von 11.800,00 € hat das Finanzamt dagegen nicht berücksichtigt.
In den Erläuterungen führte das Amt u.a. aus, dass die von den Großeltern erbrachten Fahrtkosten nicht als Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen seien, da über den Fahrtkostenersatz zwischen den Eltern und den Großeltern bei ansonsten unentgeltlicher Betreuung keine explizite Vereinbarung (z.B. Vertrag) getroffen wurde.
Die Kläger erhoben Einspruch.
Am 28.08.2017 erging ein nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderter Einkommensteuerbescheid für 2015 ohne Änderung im streitgegenständlichen Bereich.
Im Einspruchsverfahren reichten die Kläger ein handschriftlich verfasstes Schreiben vom 20.12.2007 mit folgendem Inhalt vor:
"Hallo A, Hallo B,
ihr hattet uns gebeten, dass wir uns um euren Nachwuchs kümmern, indem wir ihn ab und zu, zu uns holen. Machen wir gerne, kein Problem. Unser steuerlicher Berater hat gesagt, dass, wenn wir euch die Fahrtkosten mit 30 Cent pro Kilometer in Rechnung stellen, und ihr uns dies überweist, dass steuerlich bei euch abgesetzt werden kann.
Wäre das für euch o.k.? Dann würden wir es so abrechnen.
Liebe Grüße Mami und Papi
Das ist o.k. so!"
Das Schreiben trägt die Unterschriften des Klägers (A) und der Klägerin (B).
Weiter legten sie Kontoauszüge des Kontos des Klägers über Überweisungen von je 4.155 € am 17.07.2015 und 21.07.2015 und 3.490,20 € am 20.07.2015 vor.
Den Einspruch der Kläger wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 04.10.2017 als unbegründet zurück.
Die Kläger und der Klägervertreter beantragen, den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 14.11.2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 28.08.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 04.10.2017 dahingehend zu ändern, dass weitere Kinderbetreuungskosten von 11.800 € als Sonderausgaben steuerlich berücksichtigt werden.
Für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision beantragt. Der Revisionsgrund wird darin gesehen, dass noch keine Rechtsprechung des BFH zum § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG vorliegt und eine mögliche Abweichung von der rechtskräftigen Entscheidung des FG Baden-Württemberg im Jahr 2012.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:
Die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG lägen vor. Der Begriff der Dienstleistung i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG umfasse nach der Rechtsprechung jede Tätigkeit, die aufgrund eines Schuldverhältnisses erfolge, aufgrund dessen der Steuerpflichtige berechtigt sei, die Betreuung des Kindes zu fordern (§ 241 Satz 1 BGB) und die Betreuungsperson die vereinbarte Vergütung oder aber auch nur einen Aufwendungsersatzanspruch (z.B. nach §§ 662, 670 BGB) geltend machen könne.
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