Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verrechnungsbeschränkung für Verluste aus Termingeschäften
Leitsatz (amtlich)
Bei der im AdV-Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen vorläufigen Prüfung bewirkt die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020 eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 6 Sätze 2, 5; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 Sätze 1, 3; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
I.
Der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagte Antragsteller wendet sich gegen die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020.
Er erzielte im Streitjahr 2021 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG, aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG sowie sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG.
In der Einkommensteuererklärung für 2021 erklärte der Antragsteller u.a. ausländische Kapitalerträge aus Termingeschäften i.H.v. 50.792 € und Verluste aus Termingeschäften ohne Steuerabzug i.H.v. 67.094 €. Aus dem Steuerreport von X ergaben sich für das Streitjahr 2021 folgende Beträge (in €):
|
Pos. KapErträge |
Neg. KapErträge |
Gebühren |
… Depot |
10.946,08 |
13.956,09 |
2.225,04 |
… Depot |
39.846,64 |
50.894,44 |
0,00 |
… Depot |
0,00 |
17,66 |
0,00 |
Summe |
50.792,72 |
64.868,18 |
2.225,04 |
Im Einkommensteuerbescheid für 2021 vom 13.02.2024 wies der Antragsgegner darauf hin, dass die laufenden Verluste aus Termingeschäften des Antragstellers in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags von 20.000 € mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet und die noch nicht verrechneten laufenden Verluste i.H.v. 47.094 € in der Verlustfeststellung berücksichtigt worden seien. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen des Antragstellers ermittelte er wie folgt (in €):
Gewinne aus Termingeschäften |
50.792 |
Verrechnung laufender Verluste aus Termingeschäften i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG |
20.000 |
abzgl. Sparer-Pauschbetrag |
1.602 |
Einkünfte aus Kapitalvermögen |
29.190 |
Gegen den Bescheid legten der Antragsteller und seine Ehefrau Einspruch ein und beantragten unter Berufung auf den Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 05.12.2023 (1 V 1674/23, EFG 2024, 378) das Ruhen des Einspruchsverfahrens gem. § 363 AO sowie die Aussetzung der Vollziehung (AdV).
Während das Einspruchsverfahren antragsgemäß ruhend gestellt wurde, wurde der AdV-Antrag abgelehnt.
Zur Begründung seines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung verweist der Antragsteller auf den Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 05.12.2023 (1 V 1674/23, EFG 2024, 378) und beantragt die vollständige Verrechnung der Verluste aus Termingeschäften mit den Gewinnen aus Termingeschäften bei den Einkünften nach § 20 EStG.
Aus nicht streitgegenständlichen Gründen erging unter dem 17.05.2024 ein geänderter Einkommensteuerbescheid für 2021.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2021 vom 13.02.2024 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.05.2024 i.H.v. 7.297 € (Einkommensteuer) bis zur bestandskräftigen Entscheidung im Einspruchsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides, da die Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG aufgrund der aktuellen Gesetzeslage rechtmäßig sei. Zwar möge die Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften zu einer Ungleichbehandlung führen, für diese liege jedoch entgegen dem Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 05.12.2023 (1 V 1674/23, EFG 2024, 378) ein sachlicher Rechtfertigungsgrund vor. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vor. § 20 Abs. 6 Satz 5 begegne aus verfassungsrechtlicher Sicht zwar insoweit Bedenken, als dass er gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen könnte. Die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners sei nach Art. 3 Abs. 1 GG Anknüpfungspunkt einer Steuer. Das bedeute, dass bei gleicher Leistungsfähigkeit die Steuerlast grundsätzlich gleich auszufallen habe. Dabei sei zwischen dem subjektiven und dem objektiven Nettoprinzip zu differenzieren. Nach dem objektiven Nettoprinzip dürfe nur das Nettoeinkommen, das heißt die Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben besteuert werden. Das subjektive Nettoprinzip verhindere die Besteuerung des Existenzminimums. In seinen Entscheidungen vom 02.12.2002 (2 BvR 400/98, BVerfGE 107, 27) und vom 06.07.2010 (2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268) habe das BVerfG die Frage, ob das Nettoprinzip Verfassungsrang habe, ausdrücklich offengelassen. Eine gesetzgeberische Pflicht zur Berücksichtigung privater oder gewerblicher Aufwendungen ergebe sich jedenfalls nach Ansicht des BVerfG nicht aus dem Nettoprinzip allein, sondern nur im Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen. Aus sich selbst heraus entfalte das sog. Nettoprinzip daher keine Bedeutung über das Leistungs...