Revision eingelegt (BFH VI R 45/14)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den qualifizierten Nachweis der medizinischen Indikation einer Maßnahme bei Hochintelligenz eines Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einholung von psychologischen Gutachten spezialisierter Fachkräfte kann ein amtsärztliches Attest im Einzelfall dann ersetzen, wenn vom Amtsarzt entsprechende Spezialkenntnisse nicht erwartet werden können und eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen ausscheidet, da die Kasse die Übernahme der Behandlungskosten abgelehnt hat.

Ist nach dem Gutachten eine vorbeugende psychologische Therapie erforderlich, um das Auftreten einer Krankheit, bzw. seelischen Behinderung zu vermeiden, so kann den Eltern nicht zugemutet werden, abzuwarten, bis das Kind diese seelische Behinderung hat, um dann die Kosten der Behandlung dieser Krankheit als außergewöhnliche Belastung geltend machen zu können.

 

Normenkette

EStG § 33; EStDV § 64 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.11.2015; Aktenzeichen VI R 45/14)

BFH (Urteil vom 19.11.2015; Aktenzeichen VI R 45/14)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Therapieaufwendungen inkl. Fahrtaufwendungen und Unterkunftskosten in die Schweiz als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 haben sie u.a. Fahrtaufwendungen, Unterkunftskosten und Therapieaufwendungen für Behandlung und Fahrten in die Schweiz in Höhe von insgesamt 6.758,00 € als außergewöhnliche Belastungen beantragt (Bl. 21 und 39 Einkommenshefter). Die Aufwendungen sind in dem Zusammenhang mit dem Sohn L, geboren am 14. Juli 2000 entstanden. Diese Aufwendungen hat der Beklagte nicht als außergewöhnliche Belastungen im Einkommensteuerbescheid vom 5. Oktober 2011 berücksichtigt.

Hiergegen haben die Kläger Einspruch eingelegt und im Rahmen des Einspruchsverfahrens ausgeführt, dass auf Grund von Hinweisen aus der damaligen Grundschule die Diplompsychologin N aufgesucht worden sei. Im Gutachten vom 21. Mai 2008 habe diese eine Hochbegabung bei ihrem Sohn festgestellt (Bl. 53 f. Einkommenshefter). In dem Gutachten seien bereits adäquate Möglichkeiten einer Unterstützung von L dargestellt und die Problematik deutlich angesprochen worden. L sei als Hochbegabter eingestuft worden, aber als sog. Minderleister. Diese Feststellungen seien keinesfalls als eine "Lerntherapie im logopädischen Umfeld" anzusehen und mit einem solchen Fall vergleichbar. Aus diesem Grund sei der Sohn von der Kinderpsychologin Frau Z behandelt worden. Da Frau Z jedoch nach Zürich umgesiedelt sei, sei die Behandlung in Zürich fortgesetzt worden. Die außergewöhnlichen Aufwendungen würden die Lerntherapie und die Erziehungsberatung in dem Zentrum für Begabtenförderung in Zürich betreffen. Die Therapie sei von Frau Z durchgeführt worden. Die Störungen des Kindes in dem Zusammenhang mit Hochbegabung seien derzeit nicht als Krankheit oder seelische Behinderung durch die Krankenkasse oder Beihilfestelle eingestuft worden. Eine Erstattung von dieser Seite sei insoweit ausgeschlossen. Dadurch, dass durch die Krankenkasse oder Beihilfestelle keine Krankheit in diesem Sinne vorliege, könne auch kein amts- und vertrauensärztliches Gutachten erstellt werden. Am 12. April 2011 habe die psychotherapeutische Fachpraxis unter Leitung der Diplompsychologin F ein Gutachten zur Vorlage beim Jugendamt erstellt (Bl. 89 f. Einkommenshefter). In diesem Gutachten sei die Hochbegabung bestätigt und empfohlen worden, die speziell auf hochbegabte Kinder zugeschnittenen Lerntechniken fortzuführen. Ansonsten sei L massiv gefährdet und es bestehe die Gefahr einer seelischen Behinderung. Die Lehrer des T-Gymnasiums in D hätten am 31. Januar 2011 bestätigt, dass L sich immer mehr aus dem Unterricht zurückziehe und dort einen sehr unglücklichen und gefährdeten Eindruck vermitteln würde (Bl. 85 f. Einkommenshefter). Als hochbegabt würden Kinder gelten, bei denen ein Intelligenzquotient von mehr als 130 getestet worden sei. Eine Hochbegabung an sich begründe jedoch keinen Anspruch auf Hilfen. Eine Hilfe nach dem Kinder- und Jugendhilferecht bestehe erst dann, wenn im Zusammenhang mit der Hochbegabung eine seelische Behinderung aufgetreten sei. Diese seelische Behinderung wollten die Kläger jedoch im Vorfeld von ihrem Kind abwenden. Deshalb sei es wichtig, dass bereits im vorhinein angemessene Schulbildung und Therapiemöglichkeiten ergriffen würden. In dem Urteil des BFH vom 12. Mai 2011 führe dieser aus, dass Aufwendungen für den Besuch einer Schule für Hochbegabte als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen würden, wenn der Schulbesuch medizinisch angezeigt sei. An dem Erfordernis einer vorherigen amtsärztlichen und vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Maßnahme werde nicht festgehalten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2012 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewie...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?