Revision eingelegt (BFH II R 44/22)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

beA-Nutzungszwang für bestimmende Schriftsätze eines Rechtsanwalts auch bei Bevollmächtigung einer interprofessionellen Sozietät

 

Leitsatz (amtlich)

Reicht ein Berufsträger, der (zumindest auch) als Rechtsanwalt zugelassen ist, ab dem 01.01.2022 einen bestimmenden Schriftsatz bei einem Finanzgericht ein, ist dieser formunwirksam, wenn er nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereicht wird und Hinderungsgründe nicht glaubhaft gemacht sind.

 

Normenkette

FGO §§ 52d, 56; BRAO §§ 31, 31a, 31b

 

Nachgehend

BFH (Aktenzeichen II R 44/22)

 

Tatbestand

Strittig ist neben der Zulässigkeit der Klage, ob im Zuge einer Verschmelzung zweier Vereine Grunderwerbsteuer angefallen ist.

Der Kläger ist ein kirchenrechtlicher Verein (im Folgenden "B. e.V.") im Sinne der Cannones 215 und 298 des Kodex des Kanonischen Rechts (Codex iuris Canonici, Bl. 8 f. Grunderwerbsteuerakten).

Durch privatschriftlichen Vertrag zwischen dem W. e.V. und dem Kläger vom 3. September 2019 (Bl. 32 Grunderwerbsteuerakten) war zunächst festgehalten, dass der W. e.V. Eigentümer der dort genannten Grundstücke war. Darin wurde vereinbart, dass der W. e.V. die vorgenannten Grundstücke dem Kläger "mit sofortiger Wirkung die Nutzung und Ausübung aller Rechte quoad sortem an dem gesamten Grundbesitz" überließ. Der Kläger verpflichtete sich als Gegenleistung zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 1 Euro an den W. e.V.

Mit notariellem Vertrag vom 4. September 2019 (Bl. 2 ff. Grunderwerbsteuerakten) wurde der W. e.V. (sog. übertragender Verein) auf den Kläger als sog. übernehmender Verein - im Innenverhältnis mit Ablauf des 31. Januar 2019 - verschmolzen. Der W. e.V. als übertragender Verein übertrug hierbei sein Vermögen als Ganzes auf den Kläger, wozu nach der notariellen Vertragsurkunde auch die diversen Grundstücke gehörten. Die Verschmelzung wurde am 6. Februar 2020 in das Vereinsregister eingetragen (Bl. 16 f. Grunderwerbsteuerakten).

Der Beklagte setzte mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 6. April 2020 gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 3.946 Euro fest (Bl. 24 f. Grunderwerbsteuerakten). Hiergegen legte der Kläger mit Email vom 20. April 2020 (Bl. 30 Grunderwerbsteuerakten) Einspruch ein und begründete diesen in der Folge in verschiedenen Schreiben und Gesprächen insbesondere damit, dass der verfahrensgegenständliche Grundbesitz im Zeitpunkt der Verschmelzung bereits wertmäßig ("quoad sortem") übertragen gewesen sei, sodass der Wert des am 4. September 2019 rechtlich übertragenen Grundbesitzes letztlich auf 0 Euro gemindert worden sei (Bl. 31 f. und 34, 42, 44 ff., 51, 52, 61, 75 Grunderwerbsteuerakten).

Nachdem der Kläger Anfang November 2021 eine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwertes bei dem dafür zuständigen Finanzamt X abgegeben hatte, erließ das Finanzamt X - Bewertungsstelle - einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes vom 2. Februar 2022, in dem der Wert des dort genannten Grundbesitzes auf den 6. Februar 2020 - den Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Vereinsregister - auf 4.161.445 Euro festgestellt wurde. Hierüber erging eine Mitteilung an den Beklagten (Bl. 80 f. Grunderwerbsteuerakten). Gegen den Bewertungsbescheid erhob der Kläger mit Email vom 8. Februar 2022 Einspruch und wandte sich gegen die Feststellung eines höheren Wertes als 0 Euro (Bl. 82 Grunderwerbsteuerakten).

In einem Telefonat vom 2. März 2022 (Bl. 85 Grunderwerbsteuerakten) informierte der Beklagte die Prozessbevollmächtigte über seine Rechtsansicht, dass der Beklagte bei Ergehen eines Wertfeststellungsbescheids an die dort festgestellten Werte gebunden sei. Die Prozessbevollmächtigte sah dies anders, ging von der Möglichkeit einer Nullfestsetzung auch im Grunderwerbsteuerverfahren aus und erhielt Gelegenheit, hierzu nochmal Stellung zu nehmen. Eine weitere Stellungnahme hierzu ist sodann nicht verzeichnet.

Nach abschließender Sachbearbeitung am 20. April 2022 (Bl. 93 Grunderwerbsteuerakte) erhöhte der Beklagte mit seiner auf den 28. April 2022 datierenden Einspruchsentscheidung (Bl. 94 ff. Grunderwerbsteuerakten) die Grunderwerbsteuer auf 208.072 Euro (5% von 4.161.445 Euro).

Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, mit auf den 28. April 2022 datierenden und am 29. April 2022 beim Finanzgericht eingegangenen Schriftsatz Klage. Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten, das Herrn "A.B." als Ansprechpartner benannte und von ihm ohne den Zusatz "Rechtsanwalt" unterzeichnet war, war nicht in elektronischer Form, sondern in Papierform als einfacher Brief an das Gericht übermittelt worden. Der Briefkopf des Schreibens wies den Schriftzug "B. - C. - D. & Partner mbB", das Logo "B. - C. - D. & Partner" sowie sieben Namen, darunter den Namen A.B., aus. Bei allen sieben dort genannten Personen war die Berufsbezeichnung "Steuerberater/in", bei insgesamt fünf Personen (einschließlich Herrn A.B.) die Berufsbezeic...

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