Entscheidungsstichwort (Thema)
Folgen der fehlenden Mitwirkung einer auskunftspflichtigen Behörde - hier Agentur für Arbeit wegen Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
Der Umstand, dass eine Agentur für Arbeit aus nicht nachvollziehbaren Gründen die zweimalige Anfrage (mit PZU !) des FG, ob ein Kind dort als ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen ist, unbeantwortet lässt, kann nicht zulasten der Klägerseite gehen; der entsprechende Klagevortrag, das Kind sei dort gemeldet gewesen, ist dann als zutreffend zu unterstellen, wenn dem nach den Gesamtumständen des Falles keine sonstigen Anhaltspunkte entgegenstehen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 70 Abs. 2; AO § 37 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind M (geboren am … 1999) für den Zeitraum August 2021 bis Januar 2022 in Höhe von 1.314,00 €.
Mit Bescheid vom 25. März 2022 hob die beklagte Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind M für den Zeitraum August 2021 bis Januar 2022 auf. Zugleich wurde das für den Zeitraum von August 2021 bis einschließlich Januar 2022 zu Unrecht gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 1.314,00 € zurückgefordert. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht vorliegen.
Der hiergegen eingelegte Einspruch führte in der Sache nicht zum Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 09. Juni 2022 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:
Die Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz im Sinne von § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 c EStG sei davon abhängig, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen sei, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Die Bewerbung müsse für den nächstmöglichen Ausbildungsbeginn abgegeben werden. Die ernsthaften Bemühungen um einen Ausbildungsplatz seien gegenüber der Familienkasse nachzuweisen. Als Nachweise kämen u.a. in Betracht schriftliche Bewerbungen, die schriftliche Zusage einer Ausbildungsstelle oder die Bescheinigung über die Registrierung als Bewerber für einen Ausbildungsplatz oder für eine Ausbildungsmaßnahme bei einer Agentur für Arbeit oder einem zuständigen Leistungsträger nach dem SGB II (Jobcenter). Ein Nachweis im vorgenannten Sinne sei im vorliegenden Streitfall nicht geführt worden. Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung sei § 70 Abs. 2 EStG. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 37 Abs. 2 Abgabenordnung.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 11. Juli 2022 bei Gericht eingegangenen Klage. Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus:
"Bei Kindern, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, ist Kindergeld zu zahlen, wenn eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann.
Die Tochter der Klägerin wollte ursprünglich nach dem Abitur ein Studium zur Tierpsychologin antreten. Da die finanziellen Mittel nicht ausgereicht haben, hat sie zunächst für einen Übergangszeitraum eine Arbeitsstelle gesucht. Im streitgegenständlichen Zeitraum von August 2021 bis Januar 2022 war sie auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Ab Oktober 2021 konnte sie eine 450,00 € Stelle bei der Fa. Thalia antreten. Diese Einkünfte sind beim Kindergeld nicht zu berücksichtigen. Bei der Agentur für Arbeit ist sie als ausbildungssuchend gemeldet.
Beweis: Einholung einer Auskunft von der Agentur für Arbeit P
Dies hat die Klägerin in ihrer Einspruchsbegründung der Beklagten mitgeteilt und im Vorfeld bereits darüber informiert. Trotzdem wurde für den angegebenen Zeitraum das Kindergeld zurückgefordert.
Unstreitig hat die Tochter der Klägerin nicht gearbeitet. Ihre Untätigkeit hat sie nicht zu vertreten. Im Hinblick darauf liegen nach diesseitiger Auffassung die Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes vor, so dass die erfolgte Aufhebung nicht rechtens ist."
Der Klagebegründung u.a. beigeschlossen war eine handschriftliche Stellungnahme der Klägerin persönlich:
"Sehr geehrte Damen und Herren.
Meine Tochter M… wollte nach der Schule gerne ein Studium beginnen, leider konnten wir nach dem Tod meines Mannes die finanziellen Mittel dafür nicht aufbringen. Deswegen bemühte sich meine Tochter um eine Nebenbeschäftigung was in Zeiten von Corona leider nicht sehr einfach ist. Doch seit 10/21 konnte sie auf 450 € Basis in der Firma T in P anfangen. Parallel dazu meldete sie sich bei der Agentur für Arbeit "Ausbildungsplatz" suchend, was leider noch andauert da sie aus finanziellen Gründen von einem Studium absehen muss, befindet sie sich momentan in der Berufsinformationsphase."
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 25. März 2022 und die Einspruchsentscheidung vom 09. Juni 2022 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte tritt der Klage entgegen und führt klageerwidernd im Wesentlichen aus:
Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf den Inhalt insbesondere der Einspruchsentscheidung verwiesen.
Ergänzend werde ...