Entscheidungsstichwort (Thema)

Der berufliche Bezug eines Umzuges im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel kann im Einzelfall steuerschädliche Mitveranlassungsgründe überlagern (hier: Erfordernis zum Wohnungswechsel wegen zeitgleicher Trennung von Ehegatten). Umzugskosten als Werbungskosten bei Arbeitsplatzwechsel und gleichzeitiger Trennung vom Ehegatten. Einkommensteuer 1995

 

Leitsatz (redaktionell)

Zieht ein Arbeitnehmer nach einem Arbeitsplatzwechsel oder nach dem erstmaligen Antritt einer Arbeitsstelle an einen Arbeitsort oder in dessen Nähe um, ist eine berufliche Veranlassung des Umzugs auch dann zu unterstellen, wenn für den Umzug des Arbeitnehmers wegen dessen zeitgleicher Trennung von seinem bisherigen Ehegatten auch andere private – im Einzelfall jedoch als nachrangig zu qualifizierende – Gründe vorgelegen haben.

 

Orientierungssatz

Zieht ein Arbeitnehmer nach einem Arbeitsplatzwechsel an den Arbeitsort oder in dessen Nähe um, ist grundsätzlich von einer beruflichen Veranlassung des Umzugs auszugehen, so daß die dadurch entstandenen Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Dabei ist die zeitgleiche Trennung vom bisherigen Ehegatten als steuerschädliches Motiv zu vernachlässigen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tenor

I. Der Einkommensteuerbescheid 1995 vom 01. August 1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 04. Dezember 1996 wird geändert.

Der Beklagte hat die Einkommensteuer 1995 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe auf den Betrag zu errechnen, der sich ergibt, wenn bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 6.442,00 DM anerkannt werden.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist in Streit, ob Umzugskosten bei gleichzeitiger Trennung vom Ehepartner als Werbungskosten berücksichtigt werden können.

Die Kläger machten in ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung 1995 Umzugskosten in Höhe von 6.442,00 DM als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Diese errechneten sie wie folgt:

3 Fahrten mit eigenem PKW 3 × 730 km à 1,04 =

2.278,00 DM

Speditionskosten

2.257,00 DM

sonstige Umzugskosten (Pauschale)

1.907,00 DM

Die Klägerin war am 18. Dezember 1995 aus der bisherigen gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin in … gearbeitet. Ab 01. Januar 1996 ist die Klägerin bei einem neuen Arbeitgeber in … tätig.

Unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23. Februar 1988, EFG 1988, 411 ließ der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 01. August 1996 die Umzugskosten nicht zum Abzug zu, weil der Umzug durch die Trennung der Ehepartner veranlaßt gewesen sei.

Hiergegen legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein, den sie damit begründeten, daß der Beklagte sich zu Unrecht für die Versagung der Umzugskosten als Werbungskosten auf das Urteil des FG Münster gestützt habe, da der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt mit ihren Gegebenheiten nicht vergleichbar sei. Ihre eheliche Trennung sei zwar zeitnah mit dem Umzug erfolgt, Hauptmotiv für den Umzug sei aber nicht die Trennung, sondern der tatsächlich erfolgte Arbeitsplatzwechsel der Klägerin gewesen. Nach der BFH-Entscheidung vom 22. November 1991, BStBl. II 1992, 494, könnten gleichzeitig vorliegende private Motive für einen Umzug vernachlässigt werden, wenn der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen sei. Der BFH sehe nach der oben genannten Entscheidung einen Umzug stets dann als nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt an, wenn ein Arbeitnehmer, der 500 km von seiner neuen Arbeitsstätte wohne, seinen Wohnsitz bis auf 80 km an seine neue Arbeitsstätte heranverlege.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 04. Dezember 1996 als unbegründet zurück. Er stellte darauf ab, daß der Umzug der Klägerin nicht durch den Arbeitsplatzwechsel sondern vielmehr durch die Trennung vom Kläger veranlaßt gewesen sei. Denn die Klägerin habe sich am 18. Dezember 1995 bei der Verbandsgemeinde … bei … polizeilich abgemeldet und sei am gleichen Tage aus der gemeinsamen Wohnung unter Mitnahme des anteiligen Hausrats nach … verzogen. Falle wie hier ein Umzug mit dem Scheitern einer Ehe und der Trennung der Ehegatten zusammen, so initiierten diese Umstände stets eine private Veranlassung des Umzugs. Es entspreche nämlich der Lebenserfahrung, daß Ehegatten im Anschluß an eine gescheiterte Ehe bestrebt seien, die bisherige eheliche Wohnung alsbald zu verlassen. Bei dieser Sachlage könnten sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 22. November 1991 berufen, weil diesem Urteil insoweit ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde gelegen habe, als der Kläger, der eine intakte Ehe geführt habe, wegen Auflösung seines langjährigen Arbeitsverhältnisses seine Familienwohnung wesentlich näher an seine neue Arbeitsstätte heranverlegt habe.

Hiergege...

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